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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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malträtierte ich Einrichtungsgegenstände, quälte das Wasser, und in Gedanken zertrümmerte ich die Sterne, um sie dafür zu bestrafen, daß ich ihnen gleichgültig war, undhandelte so in einer Wut, die immer ohnmächtiger wurde, je besser ich begriff, wie lächerlich und töricht meine Handlungsweise war.
    Etwas später hielt ich meinen Zustand, den ich durch Selbsterkenntnis erreicht hatte, für etwas wie ein schmerzliches Unglück, mit dem sich absolut nichts anfangen ließ, da es zu nichts nutze war. Ich sagte, meine Bosheit war isotrop: denn zuallererst bedachte ich mich selbst damit. Die Form meiner Hände, meiner Füße, meine Gesichtszüge verdrossen mich, sobald ich sie im Spiegel sah, so wie sie uns gewöhnlich nur an anderen ärgern und stören. Als ich noch größer wurde, fand ich, daß man so unmöglich leben könne. Schritt für Schritt beschloß ich, wie eigentlich ich zu sein hätte, und von Stund an strebte ich nur noch danach, mich an das einmal aufgestellte Programm zu halten – im übrigen mit wechselnder Konsequenz.
    Eine Autobiographie, die damit beginnt, daß Bosheit im Verein mit Stolz und Feigheit als Grundlagen des Geistes aufgeführt werden, ist vom deterministischen Standpunkt aus mit einem logischen Trugschluß belastet. Denn wenn wir annehmen, daß alles in uns von vornherein angelegt ist, war auch mein Widerstand gegen die innere Bosheit schon angelegt, und der Unterschied zwischen mir und anderen besseren Menschen würde sich lediglich darauf beschränken, daß die Quelle der Handlungen jeweils anderswo zu suchen ist. Was jene aus freien Stücken tun, mit geringem Aufwand, weil sie doch einer natürlichen Neigung folgen, praktizierte ich ihr zum Trotz, also gewissermaßen künstlich. Aber ich selbst war es ja, der sich diese Taten abverlangte, mithin war ich – so betrachtet – in der Endbilanz dennoch zu Redlichkeit und Güte prädestiniert. Wie Demosthenes sich einen Stein in den stotternden Mund legte, so senkte ich mir Eisen in meinen Geist, um ihn gerade auszurichten.
    Allein in dieser Gleichsetzung offenbart der Determinismus seinen ganzen Widersinn. Eine Schallplatte, auf der Engelsgesänge aufgezeichnet sind, ist moralisch nicht um ein Haar besser als eine, auf der Zeter- und Mordiogeschrei ertönt. Nach dem Determinismus war jemand, der besser sein wollte und es werden konnte, von vornherein dazu bestimmt, ebenso wie jemand, der es sein wollte, aber nicht sein konnte, oder auch jener, der nicht einmal versuchte, es sein zu wollen. Dieses Bild ist falsch, denn die auf der Platte aufgezeichneten Kampfgeräusche sind nicht der wirkliche Kampf. Da ich meinen Eigenaufwand kenne, darf ich behaupten, daß meine Kämpfe nicht eingebildet waren. Der Determinismus meint einfach etwas ganz anderes – die Kräfte, mit denen das physikalische Kalkül operiert, tun hier nichts zur Sache, ähnlich wie man ein Verbrechen nicht entschuldigen kann, indem man es in die Sprache atomarer Wahrscheinlichkeitsgrößen übersetzt.
    In einem hat Yowitt unbestritten recht: Ich war immer auf das Schwierige aus. Gelegenheiten, wo ich meiner angeborenen Bosheit freien Lauf lassen konnte, verwarf ich für gewöhnlich als zu leicht. Wenn es auch sonderbar, ja sogar widersinnig klingen mag: Ich habe meinen Hang zum Bösen nicht überwunden, weil ich vom Guten als dem größeren Wert so angetan gewesen wäre, sondern ich habe so gehandelt, weil ich sein Vorhandensein in mir erst dann voll spürte. Für mich zählte die Anstrengung, die mit der Arithmetik der Moral nichts zu schaffen hat. Und so vermag ich wirklich und wahrhaftig nicht zu sagen, was aus mir geworden wäre, wenn nun die Veranlagung, nur Gutes zu tun, die erste angeborene Eigenschaft meiner Natur gewesen wäre. Wie gewöhnlich muß eine Überlegung, in welcher wir versuchen, uns selber in einer anderen als der vorgegebenen Gestalt zu erfassen, und dabei die Gesetze der Logik verletzen, sehr schnell Schiffbruch erleiden.
    Ein einziges Mal entsagte ich nicht dem Bösen. Diese Erinnerung knüpft sich an den langen, grauenhaften Todeskampf meiner Mutter, die ich liebte und deren Auflösungsprozeß während der Krankheit ich zugleich überaus wach und gierig verfolgte. Ich war damals neun Jahre alt. Sie, die Heiterkeit, Kraft, ja nachgerade majestätische Ausgeglichenheit in Person, lag niedergestreckt in einem sich hinschleppenden und von den Ärzten hinausgezögerten Sterben. An ihrem Bett, in dem verdunkelten, von Arzeneigestank erfüllten

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