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Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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totale Nutzlosigkeit vereitelt jede rationale Deutung. Diesen gierigen Zug haben zahlreiche Kulturen vergeblich zu ersticken getrachtet. Er ist etwas, das uns ebenso unwiderruflich mitgegeben ist wie unsere zwei Beine. Demjenigen, der bei seiner Suche nach der Ursache eine Hypothese des Vorbedachts nicht akzeptiert, weder in Gestalt der Vorsehung noch der des Teufels, bleibt lediglich das rationale Surrogat der Dämonologie: die Statistik. Aus dem verdunkelten Zimmer voller Zersetzungsgestank also führt die Spur zu meiner mathematischen Menschwerdung. Mit den Formeln der Stochastik versuchte ich den abscheulichen Zauber zu bannen. Aber auch dies ist nur eine Vermutung, folglich eine Selbstverteidigungsreaktion des Verstandes.
    Ich weiß sehr wohl, daß sich das, was ich hier schreibe, zu meinen Gunsten verkehren ließe, wenn man unwesentlich die Akzente verschöbe, und irgendeiner meiner späterenBiographen wird versuchen, das zu tun. Er wird beweisen, daß ich mit meinem Intellekt meinen Charakter bezwungen und einen heldenhaften Sieg davongetragen habe, beschimpft aber habe ich mich aus einem Verlangen nach Selbstreinigung heraus. Ein solches Machwerk würde Freuds Spuren folgen: Er ist zum Ptolemäus der Psychologie geworden, denn ein jeder kann nun nach seinem Muster die menschlichen Phänomene ausdeuten, indem er Epizykel auf Epizykel schichtet: Dieses Gebäude spricht uns an, denn es ist ästhetisch. Er hat die idyllische Version gegen die Groteske ausgetauscht, ohne zu wissen, daß er ein Gefangener der Ästhetik bleibt. Als ob es darum ginge, in der Anthropologie die Oper durch die Tragikomödie zu ersetzen.
    Mein postumer Biograph möge sich keine Umstände machen. Ich brauche keine Apologeten, all meine Anstrengung geht zurück auf eine von keinem Schuldgefühl behaftete Neugier. Ich wollte begreifen, ausschließlich begreifen, nichts weiter. Die Uneigennützigkeit des Bösen ist ja der einzige Anhaltspunkt im Menschen für die theologische Argumentation. Die Theodizee antwortet auf die Frage, woher eine Eigenschaft stammt, die weder in der Natur noch in der Kultur ihren Ursprung hat. Ein beständig tief in der Materie humanistischer Erfahrung steckender und dadurch anthropozentrischer Intellekt kann sich letztlich mit der Vision von einer Schöpfung abfinden, die einen leicht makabren Scherz darstellt.
    Der Gedanke an einen Schöpfer, der sich ganz einfach amüsiert hat, ist verlockend, doch geraten wir dabei in einen Teufelskreis: Wir stellen ihn uns nicht boshaft vor, weil er uns so gemacht hat, sondern weil wir selbst so sind. Jene Nebensächlichkeit und totale Unbedeutendheit des Menschen dem Weltall gegenüber, von der uns die Wissenschaft Kunde gibt, macht indessen den manichäischen Mythos zu einem an Trivialität grenzenden primitiven Einfall.
    Ich will es noch anders ausdrücken: Falls eine Schöpfung stattgefunden hat, was ich im übrigen gedanklich gar nicht zulasse, dann hatte das Wissen, das dafür unbedingt erforderlich war, bereits einen Stand erreicht, wo kein Platz mehr war für dümmliche Scherze. Alldieweil – und das ist eigentlich schon mein ganzes Credo – etwas wie eine vollkommene Weisheit des Bösen nicht möglich ist. Die logische Überlegung sagt mir, daß der Schöpfer kein kleiner Gauner, kein Manipulator sein kann, der sich ironisch an dem ergötzt, was er da schafft. Was wir für das Ergebnis eines boshaften Eingriffs halten, könnte allenfalls als gewöhnliche Fehlkalkulation, als Irrtum verstanden werden, dann aber begäben wir uns auf das Gebiet einer nicht existierenden Theologie fehlbarer Gottheiten. Nun, und eben die Domäne ihrer Baupraktiken ist nichts anderes als das Gebiet, auf dem ich mein Leben lang gearbeitet habe, das heißt die Statistik.
    Jedes Kind macht unbewußt Entdeckungen, aus denen die Welten eines Gibbs und eines Boltzmann erwachsen sind, weil ihm die Wirklichkeit als eine Vielzahl von Möglichkeiten erscheint, die es leicht, gleichsam spontan, aussondern und zum Leben erwecken kann. Das Kind ist von vielen virtuellen Welten umgeben, der Pascalsche Kosmos, dieser im uhrwerkartigen Gang erstarrte, mäßig bewegliche Leichnam, ist ihm völlig fremd. Die versteinerte Ordnung der Reife zerstört später jenen ursprünglichen Reichtum. Wenn dieses Bild von der Kindheit einseitig erscheint, schon weil das Kind seiner Unwissenheit und nicht seiner Wahl die innere Freiheit verdankt, so ist dies letzten Endes jedes Bild. Aus dem Zusammenbruch der Phantasie

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