Die Stimme des Wirbelwinds
vollkommen recht gehabt. Er hatte nur über den falschen Klon gesprochen.
Weatherman verbrachte viel Zeit mit ihm, mehr, als eigentlich nötig war. Da war noch etwas anderes, über das Steward nicht nachdenken wollte, jedenfalls jetzt noch nicht. Er mußte sich erst wieder zurechtfinden.
Von Wachmännern umringt, unternahm er einen Ausflug zur Nabe von Solon. Er ging allein in einen Raum, wo er vor einer ganz und gar durchsichtigen Scheibe schweben und aus der summenden Metallwelt der Station hinausschauen konnte. Die Erde, kalt inmitten der Leere, blendete ihn.
Sein Vorgänger, der Beta, hatte sein Gehirn gedoppelt und ein Stück Fleisch gespendet und sich dann an die Verfolgung des Alphas gemacht. Er hatte ihn im Unterwasser-Sheol gefunden, das in Kalifornien erbaut worden war, dachte Steward, und beendet, was der Alpha angefangen hatte. War zusammen mit ihm zum Wirbelwind geworden und dann erloschen, verweht.
Was immer der Alpha und der Beta getan hatten, jetzt war es vorbei. Steward hatte sie beide verloren. Er fühlte den Pulsschlag der inneren Leere, wo sie gewesen waren, tief in seinem Hals.
Der Beta war geschaffen worden, dachte Steward, um die Arbeit des Alpha zu beenden, um die Schuld seines Karmas abzubezahlen. Um alle Angelegenheiten abzuschließen, die de Prey, Curzon, Sheol und Andrew betrafen. Er, der Gamma, war jemand anders. Ein Mensch mit einem ganz und gar anderen Schicksal.
Er, dachte er mit einem Lachen, war ein Zen-Heiliger. Es war kein Karma mehr übrig, keine Folgewirkung, keine Sehnsucht. Eine saubere Schiefertafel. Der Beta hatte seine Sache gut gemacht.
Steward schwebte im kalten Licht der Erde, das weiß auf seine Haut schien. Die riesige, massige Station drehte sich um ihn und hinter ihm.
Ein neues Leben, dachte er. Ein neuer Pfeil.
Er fragte sich, auf welches Ziel er gerichtet war.
M ICHAEL N AGULA
ALBUQUERQUE GRÜSST DEN CYBERPUNK
Walter Jon Williams und der amerikanische Traum
Für J. L. und S. L.
und natürlich für S. F.
Irgendwann in der nahen Zukunft: Das Ende der menschlichen Zivilisation ist nahe. Es herrscht offener Bürgerkrieg. Die Städte sind zerfallen. Im Niemandsland einer grenzenlosen Weite, die nur gelegentlich von flachen Höhenrücken unterbrochen wird, sind Gewalt und Terror an der Tagesordnung. Jeder ist sich selbst der Nächste, und nur wer keine Skrupel hat überlebt. Man kennt diese Vorgaben aus den amerikanischen Road Movies der siebziger und achtziger Jahre, vor allem aus den opulenten Inszenierungen von Brutalität und Barbarei in der Mad Max -Trilogie, die ihre Vorläufer ebenso in den Hippie-Versionen vom amerikanischen Traum à la Easy Rider wie im reiferen Psychothriller eines Duell, jenes grandiosen Erstlings von Steven Spielberg, finden. Recht und Gesetz werden in diesen Visionen eines freieren Lebens durch die Allmacht von Maschinen vertreten, die wie Lokomotiven, unerschütterlich und unaufhaltsam, die vorgegebenen Pfade nachzeichnen und auswalzen. Motorräder, Trucks und Phantasiebulldozer – sie finden ihren gemeinsamen Nenner im Faustrecht, das sich seinen Weg bahnt, im fairen Kampf zwischen dem maschinell aufgerüsteten Menschen und einer aufgrund ihrer Weite unerschließbaren Außenwelt, die sich desto weiter erstreckt, je tiefer man in sie vorstößt. Der Westerner der fünfziger und sechziger Jahre und seine besonders das aggressive Moment hervorhebende Italo-Version haben ihre Entsprechung in der Allgewalt stampfender Maschinen gefunden. Das Glück auf dem Rücken der Pferde stellt sich, neuerdings gestärkt durch Pop-Elemente und Punk-Ikonographie, als Existenz in Gestalt von Cyborgs dar, Menschmaschinen, deren Organe Chromfarben glänzen.
In jüngster Zeit hat sich das Bild des Cyborg, jenes einsam in einer Metallhülle aufgehängten Menschengehirns, ein wenig gewandelt. Als Ausgeburt des Computerzeitalters, einmal gedacht und nie mehr zurücknehmbar, ist der Cyborg heute jeder Mensch, der sich auf den Dialog mit der Maschine einläßt. Und wer könnte das nicht von sich behaupten? Dazu braucht es nicht erst den Hacker und Computermaniac, der seine Tage und Nächte vor jenem flimmernden Bildschirm verbringt, hinter dem – so sagt es ihm sein Gefühl, seine Besessenheit – ein ganzes eigenes Reich der Vollkommenheit liegt, das nur auf ihn wartet. Jeder, der heute sein Videogerät, diesen künstlichen Gedächtnisspeicher, oder auch nur ein Telefon bedient, diese verlängerte Ohrmuschel, die in Bereiche
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