Die Stimmen des Flusses
uns gefunden haben, werde ich nicht zulassen, daß irgend jemand zwischen uns kommt.«
Sie trat einen Schritt zurück, dann fuhr sie fort: »Laß uns offen reden: Du gefällst mir, ich gefalle dir, und niemand soll unsere Liebe zerstören. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
»Und niemand darf davon erfahren, am allerwenigsten Bibiana.«
Sie schlug ihm ein Abkommen vor, einen Verhaltenskodex. Klopfenden Herzens stimmte er zu. Sie sagte: »Kein Anwalt meines Mannes darf mich jemals wegen … nun ja, wegen Ehebruchs verklagen können. Niemand darf etwas von uns erfahren. Das ist meine Bedingung.«
»Die Situation ist ein wenig …«
»Ich mag dich. Magst du mich?«
»Sehr. Ganz und gar.«
»Dann gibt es keine Situation. Sollte es tatsächlichSchwierigkeiten mit meinem Mann geben, so ist das eben mein Problem und nicht deines, einverstanden?«
»Ich bin überrascht.«
»Hättest du meinen Brief richtig gelesen, dann hättest du gewußt, was dich hier erwartet.«
»Ich dachte … ach, ist egal.«
Er trat einen Schritt auf sie zu, hob ihr Kinn an, mit einer Vertrautheit, die er sich nie erträumt hätte, und schloß die Augen, um sich am Nardenduft zu berauschen. Er wollte nicht länger an die Gefahr denken, nicht an Rosa und nicht an Ventureta.
»Du hast mir vom ersten Augenblick an gefallen.«
»Du mir auch. »
»Aber das hier … das ist Wahnsinn.«
»Ich werde mich um alles kümmern.«
»Ich weiß nicht, ob du das kannst. Ich weiß nur, daß ich dich so lange betrachtet habe, daß du mir nicht mehr aus dem Sinn gehst. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dich vor mir sitzen, den Hals leicht geneigt, mit vorgereckter Brust. Deine Hände streichen zärtlich über das Buch, und deine Augen …«
Endlich ein Mann, der sie die Welt mit anderen Augen sehen ließ, für den sie sich vielleicht sogar in ihr Schicksal fügen konnte. Endlich ein Mann, an dessen Brust sie sich lehnen konnte.
»Du bist ein Dichter. Ich liebe dich, Oriol.«
»Um ehrlich zu sein, fühle ich mich von diesem galicischen Tintenfischfresser von Oberst bedroht«, sagte Valentí und beobachtete verstohlen die Wirkung seiner Worte auf Cartellà. »Und außerdem behauptet er, es gäbe keinen Maquis.«
»Du meinst, der Maquis ist noch hier in Spanien?« fragte Cartellà überrascht.
Weder Valentí Targa noch General Yustes Adjutant würdigten ihn einer Antwort. Schweigend ließen sie sich einige Kilometer von den Schlaglöchern durchrütteln. Kamerad Cartellà saß den anderen beiden gegenüber, mit unbewegterMiene, aber tief beeindruckt von dem vertrauten Umgang des Adjutanten mit seinem Freund Targa. Schließlich sagte Valentí: »Es kommt mir vor wie Verrat, daß diejenigen, die auf unserer Seite stehen …«
»Wie heißt er, hast du gesagt?«
»Faustino Ramallo Pezón. Artillerieoberst beim Korps der Militärregierung von Lleida. Neunundfünfzig und eine hoffnungslose Schwuchtel. Den gesamten Glorreichen Kreuzzug hat er hinter dem Schreibtisch verbracht. Der hat seinen Arsch nicht hingehalten. Und seit drei Monaten hat er den Posten in Lleida.«
»General Yuste wird ein Wörtchen mit ihm reden, das verspreche ich dir.«
Cartellàs stumme Bewunderung wuchs.
»Danke, Kommandant. Und richte dem General aus, daß er nächsten Freitag zu einer Veranstaltung der Falange in Sort eingeladen ist. Du auch, Cartellà.«
Soeben hatten sie die Salinen von Gerri hinter sich gelassen, als der Wagen am Ortsausgang scharf bremste. An der Abzweigung nach Peramea stand eine Militärkontrolle.
»Wer hat befohlen, hier einen Kontrollpunkt zu errichten?« Die Frage des Kommandanten richtete sich an niemand Bestimmten. Zum Chauffeur sagte er: »Langsam. Mal sehen, was sie wollen.«
Er ließ die Scheibe herab, damit der Hauptmann, den er nicht kannte, sein Gesicht sehen konnte.
»Was ist los?« fragte er ungeduldig.
Cartellà sah zu Valentí Targa hinüber und zwinkerte ihm zu.
»In Sort hat es eine Explosion gegeben.«
»Warum wurde ich nicht informiert? Wo ist der General?«
»Steigen Sie bitte aus.«
»Was? Warum fragen Sie nicht nach der Parole?«
Drei Soldaten waren an die Seite des Hauptmanns getreten; einer öffnete die Wagentür.
»Das ist eine Falle«, konnte Valentí Targa noch sagen, dadröhnten zwei Schüsse, und der Kopf des Fahrers sank sacht auf das Lenkrad, als hätte ihn mit einemmal eine unwiderstehliche Müdigkeit gepackt. Die andere Wagentür, auf die sie nicht geachtet hatten, wurde aufgerissen. Jemand schob eine
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