Die Stimmen des Flusses
gratuliert.« Dann lächelte sie zaghaft.
Als er aus dem Militärverwaltungsgebäude trat, traf er einen Bewunderer – die erste angenehme Überraschung des Tages. Mit Kamerad Cartellà hatte er während des siegreichen Vormarschs durch Aragonien Glanz und Gefahr durchlebt, und gemeinsam war ihnen die Ehre zuteil geworden, unter den ersten Soldaten zu sein, die auf der Jagd nach den sowjetischen separatistischen Horden in Katalonien einrückten. Als erste hatten sie die Einwohner der eroberten Dörfer gezwungen, sie mit ausgestrecktem Arm zu begrüßen, Vivaspaña und Arribaspaña zu sagen und sie freudig als die Verteidiger des Vaterlandes zu umarmen, die siegreichen Soldaten der Glorreichen Nationalen Armee General Francos. Cartellà und er grüßten einander erfreut mit ausgestrecktem Arm und knallenden Hacken, er in Zivil (diese dämlichen Dienstmädchen bei Marés, blöde Schlampen) und Kamerad Cartellà in vollständiger, tadelloser Uniform. Vielleicht wurden sie in Hauptstadtnähe besser ausgestattet als in den Bergen.
Unter dem Sonnensegel des Café Sendo tauschten die beiden Falangisten, aus der Ferne beobachtet von zwei unruhigen Augenpaaren, die neuesten Nachrichten aus, und Targa schärfte seinem Kameraden ein, nie zu vergessen, daß es in der Armee und in der Regierung Leute gab, die den wahren Patrioten das Leben schwermachten.
»Nein!«
»Doch. Militärs.«
»Laß dich nicht beirren. Wir Kameraden aus der Provinz bewundern dich.«
Vielleicht würde es doch nicht so schwer sein, stellvertretender Provinzchef des Movimiento zu werden.
»Glaubst du?«
»Natürlich! Schließlich lebst du direkt an der Grenze und hast dieses Dorf voller Hurensöhne ganz gut im Griff.»
»Ja, aber ein verdammter Oberst verübelt mir das. Ich werde wohl mal mit Sagardía reden müssen, oder mit Yuste.«
Cartellà riß Mund und Augen auf. »Du kennst sie?«
»Wir sind Freunde. Soll ich dich mit Yuste bekannt machen? Was hast du heute vor?«
Elisenda ging zur Tür und schloß sie. Die Brillantohrringe zu beiden Seiten ihres Gesichts funkelten. Oriol stand steif und ratlos da. Einen verrückten Augenblick lang dachte er, Elisenda gehöre zum Maquis. Dann stand sie vor ihm und sagte, »Danke, daß du gekommen bist«, und fast hätte er erwidert: »Ich dachte, es sei ein Treffen mit Leutnant Marcó und …« Sie nahm seine beiden Hände.
»Lieber Oriol, ich weiß, daß du allein bist, seit deine Frau … Nun, du mußt dich sehr einsam fühlen, und ich will dir helfen, weil ich mich dafür verantwortlich fühle.«
»Ich wüßte nicht, wie du das bewerkstelligen willst.« Oriol war unruhig, auf der Hut.
Er dachte, ich wollte sie sowieso zur Rede stellen, sie hat gesagt,Ventureta würde nichts geschehen, und mit einer solchen Frau will ich nichts zu schaffen haben. Als hätte sie seine Gedanken erraten, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf die Lippen. Der Kuß nahm ihm den Atem, seine Zweifel und Erinnerungen. Es kann doch gar nicht sein, daß eine solche Frau sich für einen Mann wie mich interessiert, der …
Sie interessierte sich so sehr für ihn, daß sie ihre Lippen auf die seinen gepreßt hielt, bis er völlig atemlos war. Dann sah sie ihm in die Augen, strich ihm mit der Hand übers Gesicht und dachte bei sich, ein ehrlicher Mann, ein gebildeter Mann, ein schöner Mann. Ich werde ihn nie wieder gehen lassen.
»Gefalle ich dir?«
»Sehr. Aber …«
»Ich wußte es. Als du mich gemalt hast, habe ich es schon gewußt.«
»Aber du … ich meine, du bist verheiratet und …«
»Du auch. Warum bist mir in letzter Zeit ausgewichen?«
»Ach, nur so.«
»Warum? Oriol, sieh mich an.«
Oriol zögerte, dann brach es aus ihm heraus: »Das weißt du doch. Ich glaube, du hättest mehr tun können, um den Tod von …«
Sie schnitt ihm das Wort ab: »Valentí Targa hat mich hintergangen. Er hat mir geschworen, er wolle die Leute nur erschrecken, und dem Jungen werde nichts geschehen.«
»Und du hast ihm geglaubt.«
»Als ich zurückkam, war schon alles passiert.«
»Warum hast du ihn dann nicht angezeigt?»
»Warum hast du es nicht getan?«
Sie verstummten. Ihre Begegnung drohte in einem Fiasko zu enden, aber diese Worte mußten gesagt werden, bevor sie sich einander hingeben konnten. Elisenda legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen. Oriol lächelte, und sie erwiderte sein Lächeln und sagte ruhig, mit der natürlichen Autorität, die von ihr ausging: »Nun, da wir
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