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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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schwarzglänzende Sten herein und feuerte das halbe Magazin auf den Falangisten Cartellà ab, während hinten ein anderer Mann das gleiche mit dem Adjutanten tat. Valentí Targas heller Gabardinemantel war so voller Blut, daß es aussah, als wäre er noch schwerer verletzt als die anderen. Er ließ den Mund offenstehen, stellte sich tot und hörte, wie der Hauptmann sagte: »Den haben wir durchlöchert wie ein Sieb. Verschwinden wir.«
    Sie war diejenige, die die Initiative ergriff. Sie half ihm, sich auszuziehen; sie packte ihn am Arm und zog ihn zum Bett hinüber, wo zwei oder drei Wärmflaschen die klammen Bettücher wärmten. Ihre Berührung war leidenschaftlich, sehr leidenschaftlich ihrerseits; und er ließ sich von ihrer Leidenschaft anstecken, bis er schließlich die Erinnerung an Rosas vorwurfsvollen Blick und seine Angst abschüttelte, Valentí mit seinem straff gezogenen Scheitel könne, anstatt sich auf dem Weg nach Lleida endlich umbringen zu lassen, plötzlich krachend die Tür aufstoßen, sich mit dem Finger über den Schnurrbart streichen und sagen: »Sieh an, du Mistkerl, willst du immer noch leugnen, daß Elisenda eine Nutte ist? Du hast kein Recht, sie flachzulegen, denn zuerst bin ich dran, und außerdem gehörst du zum Maquis.« Dann würde er auf ihn schießen, nicht in den Kopf oder ins Herz, sondern dahin, wo es am meisten weh tat, zum Beispiel in die Hoden, und ruhig zusehen, wie er verblutete, wie ihm das Leben durch den erbarmungslos schmerzenden Einschuß davonrann.
    »Mußt du nicht …«
    »… vorsichtig sein?«
    »Ja, ich weiß nicht …«
    Sie nahm ihn in ihre Arme, er drang in sie ein, und es war eine unfaßbare Explosion der Lust.
    Nach zwei Stunden entließ ihn Elisenda aus ihren Schenkeln und sagte ihm: »Das war nicht das letztemal, denn du bist der einzige für mich, der einzige im Dorf und in den ganzen Bergen. Bist du mit dem Motorrad da?«
    »Nein. Der Steinmetz Serrallac hat mich mitgenommen. Mein Motorrad ist kaputt.«
    Draußen auf der Landstraße wartete Elisenda Vilabrús schwarzer Wagen. Im Inneren saß ein dunkler Schatten. Elisenda, in ihren Pelzmantel gehüllt, gab ein Zeichen, und der Wagen kam lautlos näher. Sie öffnete die Beifahrertür und ließ Oriol einsteigen.
    »Am Dorfeingang lassen wir dich raus.«
    Elisenda ließ sich allein auf dem Rücksitz nieder. Oriol sah zum Chauffeur hinüber. Es war der schweigsame Narbengesichtige, Jacinto Mas, der ihn mit einem vorwurfsvollen Blick bedachte und wortlos anfuhr. Der Chauffeur warf einen raschen Blick in den Rückspiegel. Sehr gut, Jacinto, du machst das ausgezeichnet. Auf dem ganzen Weg bis nach Torena tat keiner von ihnen den Mund auf. Der Nardenduft hatte sich verflüchtigt, nicht aber in der Erinnerung Oriols und Jacintos.
    Als Elisenda Vilabrú in Casa Gravat ankam, noch ganz erfüllt von der Liebe, spürte sie, daß etwas in der Luft lag. Sie weiß es, dachte sie. Allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz weiß Bibiana Bescheid. Kaum hatte sie Bibiana, die ihr die Tür öffnete, in die Augen gesehen, war sie sicher. Und so erschrak sie, als sie ins Wohnzimmer trat und ihn dort stehen sah, umgeben von seinen Gorillas, denn damit hatte sie nicht gerechnet. Angesichts dieser rohen Männer verließ sie der Mut. Santiago hatte sie von ihrem eigenen Goel bespitzeln lassen! Um Zeit zu gewinnen, fragte sie: »Was ist los?«
    Statt einer Antwort bückte sich Valentí und hob ein Kleiderbündel vom Boden auf. Er hielt es so hoch, daß sie es genau sehen konnte: blutige Lumpen, die einmal ein heller Gabardinemantel gewesen waren. Und ein Hemd. Widerlich.
    »Was ist passiert?«
    »Die wollten mich umbringen.«
    »Mein Gott.« Was für eine Erleichterung. Wenn es weiter nichts war. Sie deutete auf die Kleidung: »Und das Blut?«
    »Das stammt von anderen Helden, anderen Märtyrern.«
    Valentí ruckte mit dem Kopf, und Balansó und Gómez Pié gingen hinaus. Einen Augenblick später hörte Elisenda die Haustür zuschlagen. Sie wurde langsam etwas ruhiger.
    »Erzähl.«
    »Nein, es ist ziemlich unappetitlich.«
    »Was willst du dann?«
    »Ich bin noch nicht fertig mit meiner Arbeit.«
    »Es fehlt noch Josep Mauri.«
    »Ja.«
    Valentí ließ sich in den erstbesten Sessel fallen, ohne um Erlaubnis zu fragen, entgegen allen Regeln, die sie in Burgos aufgestellt hatte. Er war verstört, auch wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
    »Warum bist du hier?«
    »Dir ist völlig gleich, ob ich ermordet werde.«
    »Das stimmt

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