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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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nicht.« Sie zwang sich stehenzubleiben. »Was willst du?«
    »Mehr Geld.«
    »Noch mehr, als du jetzt schon bekommst?«
    »Das Ganze wird mir langsam zu gefährlich. Gib mir mehr, oder ich blase die Sache ab.«
    »Wie lange wirst du brauchen, um Josep Mauri zu finden?«
    »Ich könnte den Deppen als Geisel nehmen, um Josep zu zwingen herzukommen. Cassià hat sie nicht alle.«
    »Manchmal scheinst du wirklich ein Idiot zu sein«, schnitt sie ihm brüsk das Wort ab. »Und du hast mir immer noch nicht gesagt, was Ventureta mit der ganzen Sache zu tun hat.«
    »Ich bin Bürgermeister, nicht nur dein Vollstrecker.«
    Sie feilschten nicht lange, denn Elisenda wollte um jedenPreis verhindern, daß ihr Goel mitten in der Arbeit aufhörte. Sie entlohnte ihm seine neue Angst großzügig, und als Valentí ging, war er mit seinem Schicksal versöhnt. Mehr als versöhnt: Er war begeistert, weil er viel mehr herausgeschlagen hatte, als er jemals zu hoffen gewagt hatte. Eloi Cartellà, berühmter Sohn Tàrregas, du hast mir einen großen Gefallen getan. Kamerad Cartellà, dich ehren wir.
    Abends leerte er bei Marés mit dreien seiner Männer eine Flasche Anis, dann nahm er Modest beiseite und blätterte ihm ein Bündel fast neuer Geldscheine auf eine rissige Marmortischplatte, ohne nachzuzählen, um ihn seine Verachtung spüren zu lassen. Ein dickes Bündel. Dann ging er die Treppe zu seinem Zimmer hinauf, ohne zu sagen, »Hier hast du, was ich dir schulde«, oder, »Danke für die Geduld«, oder, »Ich scheiß auf eure Pfennigfuchserei«, oder, »Dank deiner Tochter, die mir das Hemd nicht gewaschen hat, bin ich noch am Leben«. Nicht einmal gute Nacht. Modest nahm die Geldscheine mit einer Mischung aus Erleichterung und Ekel an sich. Wenn er könnte, wie er wollte …
    Am nächsten Tag mußte Bürgermeister Targa Ermittler und Vorgesetzte empfangen, Totenwachen besuchen und seine Kameraden anhalten, weiterhin furchtlos aktiv zu sein. Am Abend war dann Porträtsitzung im Rathaus: Wenn sie ihn schon drankriegten, sollte wenigstens das Bild fertig sein.
    »Siehst du?«
    Er schwenkte die Zeitung und legte sie auf den Gemeinderatstisch. Oriol stellte den Pinsel im Terpentinglas ab. Er hatte die ständigen Unterbrechungen satt. Er las, daß das zweite Todesopfer bei diesem tragischen Verkehrsunfall Kamerad Eloi Cartellà aus Tàrrega gewesen war, der Ortschef der Falange, der im Unglückswagen gesessen hatte.
    »Was ist passiert?«
    »Es war kein Unfall. Das schreiben die nur, damit unter der Bevölkerung keine Panik ausbricht. Die sind hinter mir her, sie wollen mich kaltmachen.«
    »Woher wissen Sie, daß die es auf Sie abgesehen hatten?«
    »Die haben den armen Cartellà förmlich durchsiebt.«
    »Dann waren sie vielleicht hinter ihm her.«
    »Nicht mal Gott weiß, wer Cartellà ist.« Er griff nach der Zeitung und zog sie zu sich heran. »Ich hingegen … Nun ja, ich bin bekannt.«
    »Aber sie haben die anderen beiden erschossen.«
    »Cartellà haben sie umgelegt, weil er uniformiert war.«
    »Aber er sieht Ihnen kein bißchen ähnlich!«
    »Die, die geschossen haben, kannten mich nicht. Ich bin davongekommen, weil ich Zivil trug. Und sicher auch, weil ich mich totgestellt habe.«
    Er sah Oriol Fontelles drohend an, als dulde er in dieser Frage keinerlei Widerspruch: Das Opfer war er, er allein.
    Oriol nahm die Zeitung wieder an sich. Seine Augen brannten, sicher vom Schlafmangel. Er hörte Valentí sagen: »Das ist jetzt schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit.«
    »Das zweite Mal?«
    Valentí Targa winkte ab, als wolle er nicht darüber reden. Oriol sah sich gezwungen nachzuhaken: »Was soll das heißen, das zweite Mal?«
    »Je mehr die sich anstrengen, mich unter die Erde zu bringen«, verkündete Valentí, als wäre das die Antwort, »desto mehr Lust habe ich, diese Kollaborateure zu erledigen, einen nach dem anderen. Ohne Haß, ganz kalt und gerecht. Angefangen mit Ventura, denn der steckt dahinter, da bin ich mir sicher.«
    »Mein Gott.«
    Valentí verzog sein Gesicht zu einem Lächeln, das man für väterlich hätte halten können: »Da kriegst du Schiß, was?«
    Stille. Nach einer Weile fuhr er fort: »Ventura führt seinen eigenen Krieg, als wäre es was Persönliches.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Vom deutschen Geheimdienst. Die haben dort ihre Leute eingeschleust. Aber es sieht so aus, als würde Ventura seine Befehle von einem gewissen Hauptmann Eliot erhalten.«
    »Wer ist das?«
    »Das wissen wir noch

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