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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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2CV brachte sie klaglos zu der abgelegenen Pension. Obwohl sie weiter im Norden lag, hatte es hier noch nicht geschneit. Auf dem Beifahrersitz lag die Zigarrenkiste mit den vier Heften. Sie hielt es für sicherer, den Wagen nicht auf dem Parkplatz der Pension abzustellen, also parkte sie ihn am Rand der verlassenen Landstraße, schaltete Motor und Lichter aus und blieb reglos sitzen, den Blick auf den erleuchteten Eingang der Pension geheftet. In diesem Augenblick begann es zu schneien, sanft und still, und sie tastete nach der Zigarrenkiste auf dem Beifahrersitz, um sich zu vergewissern, daß sie noch da war.
    Es war kalt, und sie war schon ein paarmal ausgestiegen, um die Windschutzscheibe abzuwischen, ohne dabei die Eingangstür der Pension aus den Augen zu lassen. Trotzdem wollte sie die Autoheizung nicht einschalten, denn in der verzauberten Stille dieser Nacht war nicht einmal das Rauschen des Flusses zu vernehmen, und das Dröhnen des Motors hätte Jordi auf sie aufmerksam gemacht.
    Als sie das nächste Mal aus dem Wagen stieg, um sich die Füße warmzustampfen und die Windschutzscheibe freizukratzen, bedeckte sie ihr Nummernschild mit Neuschnee vom Wegrand. Es war eine Sache, zu wissen, daß ihre Anwesenheit hier unter ihrer Würde lag, und eine andere, daß andere davon erfuhren. Ihre Nase war eiskalt.
    Sie stieg wieder ein, ohne den Blick von der erleuchteten Tür zu wenden, durch die während der ganzen Zeit nur zwei Unbekannte auf die Straße getreten waren. Mit ihrer behandschuhten Hand strich sie sacht über die Zigarrenkiste.
    »Was hast du gesagt?«
    »Du hast mich sehr wohl verstanden.«
    Rosa blieb vor Überraschung und Schreck der Mund offen stehen, und sie spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. Ihrschwindelte, und sie ließ sich in den Schaukelstuhl fallen. Sie flüsterte: »Warum?«
    »Hier ist jeder in Gefahr.«
    »Nein. Hier ist nur einer in Gefahr, und das ist dieses Kind.«
    »Ich tue, was ich kann.«
    »Den Teufel tust du. Geh doch zu deiner Senyora Elisenda.«
    »Wieso?«
    »Du gehst doch sonst so gern zu ihr. Oder bist du etwa nicht völlig hin und weg, wenn du sie nur ansiehst? Wo sie ein so ausdrucksvolles Gesicht hat, so schwierige Augen …«
    »Was willst du denn damit andeuten?«
    Rosa blickte aus dem Fenster, als habe sie gar nichts andeuten wollen, und sagte dann mit müder Stimme: »Du bist der einzige im Dorf, auf den sie hört.«
    »Senyora Elisenda kann auch nichts ausrichten.«
    »In diesem Dorf geschieht nichts, was sie nicht will.«
    »Schön wär’s.«
    Rosa sah zu Oriol hinüber, sah ihm tief in die Augen, hoffte zu ergründen, welche Blicke ihr Mann mit Senyora Elisenda tauschte, wenn sie zusammen waren. Als Oriol zu einer Erklärung ansetzte, begannen draußen die Kirchenglocken das Angelus zu läuten. Sie schwiegen, doch noch bevor die Glocken verstummt waren, brach es aus Rosa heraus: »Wenn du nicht etwas dagegen unternimmst, kehre ich nach Barcelona zurück.«
    »Du kannst mich doch nicht verlassen.«
    »Du bist ein Feigling.«
    »Ja, ich bin ein Feigling.«
    Instinktiv legte Rosa die Hand auf ihren Bauch und sagte erschöpft: »Ich will nicht, daß unsere Tochter erfährt, daß ihr Vater ein Feigling und Faschist ist.«
    »Ich bin kein Faschist.«
    »Was unterscheidet dich denn vom Bürgermeister, diesem Schweinehund?«
    »Nicht so laut, man hört dich ja überall!«
    »Er macht, was er will, und du machst mit.«
    »Hör mal, ich bin schließlich nur der Dorfschullehrer.«
    »Du könntest den Bürgermeister dazu bringen, zu tun, was du willst.«
    »Ausgeschlossen. Außerdem habe ich Angst. Dieser Mann macht mir angst.«
    »Du mußt das mit Ventureta verhindern.«
    »Das kann ich nicht. Ich schwöre dir, er hört einfach nicht auf mich.«
    Rosa sah ihm ein letztes Mal in die Augen, dann wandte sie sich ab, wiegte sich sacht im Schaukelstuhl vor und zurück und blickte wieder aus dem Fenster. Es war ihre Art, Abschied von ihm zu nehmen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Sie verfluchte den Tag, an dem er diese Arbeit angenommen hatte, eine Lehrerstelle in einem wunderhübschen kleinen Dorf, das laut Lexikon von der Rinder- und Schafzucht lebte, was glaubst du, wie glücklich wir dort sein werden, wir werden Zeit zum Lesen haben und Zeit füreinander, das ist genau das, was wir brauchen. Und nach langem Hin und Her hatte sie schließlich gesagt: Weißt du was, Oriol, laß uns einfach nach Torena gehen. Und nun wurde die Füllung für die Cannelloni, die sie zu

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