Die Straße in die Stadt
Santa zu trösten und sagte zu ihr:
»Kopf hoch, wenn ich erst verheiratet bin, suche ich dir auch einen Mann.«
»Na, na«, sagte die Tante zu mir, »du brauchst auch nicht so siegesgewiß daherzureden. Ich habe gehört, daß dein Verlobter gar nicht daran denkt, dich zu heiraten, und immer mit einem Fräulein herumläuft. Verschiedene Leute haben mir das gesagt, und ich glaube es. Wieso kommt er dich sonst nicht besuchen, alle sind sie gekommen, sogar dieser verrückte Nini, warum ist ausgerechnet er nie gekommen.«
»Wenn er doch lernen muß«, sagte ich zu ihr.
»Ich weiß nicht, ich wiederhole nur, was ich gehört habe. Man sieht ihn mit einem Fräulein, so wurde mir gesagt. Du Einfaltspinsel sitzt hier und wartest darauf, daß er kommt und dich heiratet, und er dagegen erinnert sich nicht einmal mehr, wer du bist.«
»Das ist nicht wahr«, sagte ich zu ihr.
»Warum fragst du ihn nicht selbst, ob es wahr ist. Geh hin und sag ihm, daß er dich heiraten muß, jetzt, wo er dich ruiniert hat, weil du sonst einen Skandal machst. Den Männern muß man Angst einjagen. Das wird hübsch werden, wenn du ein Kind auf dem Arm hast und dir deinen Lebensunterhalt verdienen mußt. Denn dein Vater nimmt dich nicht mehr zu Hause auf, das versichere ich dir.«
Sie ging, und ich blieb mit Santa allein. Santa sagte zu mir:
»Wie unglücklich wir doch beide sind«, und wollte, daß wir uns umarmen und zusammen weinen, aber ich hatte keine Lust, sie neben mir zu haben. Ich lief ins Zimmer hinauf und schloß mich ein. Ich weinte nicht, sondern blickte stumm in die Dunkelheit und dachte, daß er recht hatte, mich nicht heiraten zu wollen. Weil ich jetzt häßlich geworden war, der Nini hatte es ja auch gesagt, und außerdem hatte ich ihn nicht lieb, ich machte mir gar nichts aus ihm. ›Für mich wäre es besser zu sterben‹, dachte ich, ›ich war zu dumm, habe zuviel Unglück gehabt. Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich möchte.‹ Doch das einzige, was ich wollte, war vielleicht, wieder so zu werden wie früher, mein blaues Kleid anzuziehen und jeden Tag fortzulaufen in die Stadt und nach dem Nini zu suchen, um zu sehen, ob er in mich verliebt war, und auch mit Giulio in die Pineta zu gehen, aber ohne ihn heiraten zu müssen. Doch all das war vorbei und konnte nicht wieder beginnen. Und als mein Leben so war, tat ich nichts, als zu denken, daß ich mich langweilte, und auf etwas anderes zu warten, und hoffte, daß Giulio mich heiratete, um von zu Hause wegzukommen. Jetzt wünschte ich mir nicht mehr, ihn zu heiraten, und erinnerte mich, wie oft ich mich gelangweilt hatte, wenn er mit mir sprach, und wie oft er mich geärgert hatte. ›Aber es ist zwecklos‹, dachte ich, ›es ist zwecklos, und wir müssen heiraten, und wenn er mich nicht will, bin ich für immer ruiniert.‹
Am nächsten Tag kam meine Mutter und fand mich mit Fieber, weil ich mich erkältet hatte, als ich bis spät mit dem Nini durch die Gegend lief, sagte die Tante zu ihr. Im Zimmer war es zu kalt, und ich saß in der Küche auf meinem gewohnten Platz, die Beine fast im Feuer. Ich klapperte mit den Zähnen und klagte über das Fieber, das ich in mir spürte. Mein Kopf war wirr, und ich begriff nicht recht, was meine Mutter sagte. Meine Mutter erzählte, es habe erneut eine Szene zwischen Giulio und meinem Vater gegeben, weil Giulio gesagt hatte, das Kind könne auch von einem anderen sein.
»Wärst du keine solche Herumtreiberin gewesen, hättest du solche Worte nicht gehört«, sagte meine Mutter zu mir.
»Das stimmt«, sagte die Tante, »und gestern ist sie auch mit dem Nini spazierengegangen, und so hat sie Fieber bekommen, weil sie so lang in der Kälte draußen war. Mir ist es ja egal, es tut mir nur leid, daß ich sie hier habe. Denn wenn der schlechte Ruf an meiner Tochter hängenbleibt, wie kriegt sie ihn dann je wieder los?«
Doch ich sagte, sie sollten weggehen und mich in Ruhe lassen, weil mir alle Knochen weh taten. Die Tante sagte zu meiner Mutter, ich müsse selbst mit Giulio sprechen, wenn er es sei, der mich nicht wolle, und auch meine Mutter sagte, ich müsse mit ihm sprechen, und gab mir seine Adresse in der Stadt, die sie heimlich vom Dienstmädchen erhalten hatte. Dann eilte sie rasch davon, um zu Hause zu sein, bevor mein Vater heimkam, weil mein Vater nicht wollte, daß sie mich besuchte, und sagte, auch wenn ich tot wäre, wolle er es nicht wissen.
-
S
o machte ich mich eines Tages, als ich wieder gesund war,
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