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Die Straße in die Stadt

Die Straße in die Stadt

Titel: Die Straße in die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalia Ginzburg
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weitermachst.«
    Nach ein paar Tagen kam Giulio mit einigen Stoffstücken wieder, aus denen ich mir Kleider machen lassen sollte, und sagte zu mir, er wolle die Sache mit der Stadt noch einmal überdenken.
    »Ich leg mich sogar mit meinen Eltern an, nur damit du zufrieden bist«, sagte er, »aber verdient hättest du es nicht, weil du zu böse bist.«
    Die Tante kam und sah sich die Stoffe an, zog eine Modezeitschrift hervor und sagte, sowie ich niedergekommen sei, würde sie sich an die Arbeit machen. Doch Giulio antwortete ihr daraufhin, er wolle diese Stoffe zu einer Schneiderin in der Stadt bringen. Die Tante wurde rot und war beleidigt und sagte zu uns, wir sollten das Zimmer verlassen und in die Küche gehen, weil sie einen Schrank aufräumen müsse. »Und schließlich ist das immer noch mein Haus«, sagte sie zu uns.
    Giulio sagte zu mir, wenn ich in der Stadt wohnen wolle, müsse ich elegant sein. Aber mich so zu kleiden wie Azalea, würde er mir nicht erlauben, sagte er. Denn Azalea trage so extravagante Sachen, daß sich auf der Straße alle nach ihr umdrehten, wenn sie vorbeiging. Er wolle nicht, daß mir das auch passiere. Aber elegant müsse ich schon sein, denn wenn sich eine Frau vernachlässige, mache es keinen Spaß, mit ihr auszugehen. Um ihn zu ärgern, sagte Santa zu ihm, die Stoffe habe er schlecht ausgewählt, weil sie nicht die Modefarben hätten.
    »Die Leute, die immer nur Zwiebeln um sich herum sehen, kennen sich mit Mode besonders gut aus«, erwiderte Giulio.
    »Mode bedeutet, sich zu kleiden wie die anderen, ohne diese Menschenfresserstiefel, über die ich schon lachen muß, wenn ich sie nur aus einem Meter Entfernung sehe«, gab Santa zurück.
    Sie waren beide gekränkt, und Giulio sprach weiter mit mir, als ob wir allein miteinander wären. Er sagte zu mir, wenn ich in der Stadt wohnte, müsse man ab und zu Gäste empfangen, und ich müsse lernen, Gäste zu empfangen und viele andere Sachen, denn manchmal schiene es, als käme ich vom Mond. Ich blickte ihn an, um zu sehen, ob er dabei ans Le Lune dachte, das Hotel, das ›Die Monde‹ hieß. Er jedoch dachte überhaupt nicht daran, und es war, als erinnerte er sich gar nicht mehr, daß er mich ins Le Lune mitgenommen hatte, wo auch die Nutten hingingen, es war, als erinnerte er sich nicht mehr an die Zeit, bevor wir verheiratet waren, und an seine geringe Lust, mich zu heiraten, und an das Geld, das ich nehmen sollte, um mit dem Kind, das ich von ihm hatte, bloß irgendwohin zu verschwinden. Jetzt sprach er oft über unser Kind mit mir, darüber, wie er sich das Gesicht vorstellte, das es haben würde, und über einen zusammenklappbaren Kinderwagen neuen Typs, den er gesehen hatte und den man kaufen müsse.

 

     
     
-

    D
    ie Wehen setzten in der Nacht ein. Die Tante stand auf und holte die Hebamme und schickte Santa zu ihrer Patin, weil sie sagte, ein Mädchen dürfe nicht sehen, wie ein Kind geboren wird. Santa dagegen wollte bleiben, weil sie kaum erwarten konnte, das Kind zu küssen und ihm ein Häubchen mit hellblauen Bändern aufzusetzen, das sie für es gestickt hatte. Gegen Morgen kam meine Mutter, auch sie mit Häubchen und Bändern. Doch ich war außer mir vor Angst und Schmerz, war schon zweimal ohnmächtig geworden, und die Hebamme sagte, man müsse mich unverzüglich ins Krankenhaus in die Stadt bringen.
    Während das Auto auf die Stadt zuraste und meine Mutter mich weinend ansah, betrachtete ich das Gesicht meiner Mutter und dachte, daß ich bald sterben würde. Ich zerkratzte die Hände meiner Mutter und schrie.
    Ich bekam einen Jungen, und sie tauften ihn sofort, weil es schien, als müsse er sterben. Doch am nächsten Morgen ging es ihm gut. Ich war schwach und hatte Fieber, und man hatte mir gesagt, ich dürfe nicht stillen. Ich blieb nach der Geburt des Kindes noch einen Monat im Krankenhaus. Um meinen Sohn kümmerten sich die Nonnen, und sie gaben ihm Milch mit der Flasche. Ab und zu brachten sie ihn mir, häßlich wie der Hunger, mit dem Häubchen, das Santa ihm gestickt hatte, mit seltsam langen Fingern, die er ganz langsam bewegte, und einem geheimnisvollen, starren Gesichtsausdruck, als wäre er dabei, etwas zu entdecken.
    Am Tag nach der Geburt besuchte mich meine Schwiegermutter und legte sich sofort mit einer Nonne an, weil das Kind schlecht gewickelt war. Dann setzte sie sich kerzengerade hin, die Tasche in der Hand, mit ihrem langen, betrübten Gesicht, und sagte zu mir, als sie niedergekommen war, habe

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