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Die Straße in die Stadt

Die Straße in die Stadt

Titel: Die Straße in die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalia Ginzburg
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glaubst du denn, daß ich jeden Monat wechsle?« erwiderte sie beleidigt, indem sie sich die Handschuhe zuknöpfte. »Ade«, sagte sie zu mir, »ich gehe«, und umarmte mich. Das erstaunte mich, und ich küßte sie ebenfalls auf ihr kaltes, gepudertes Gesicht. »Ade«, wiederholte sie auf der Treppe. Ich sah sie steif durch den Garten gehen, gefolgt von der Tante.
    Die Tante kam mich rufen, weil ich ihre Pfannkuchen versuchen sollte. Sie erzählte mir, sie habe Azalea gefragt, ob sie alte Schuhe habe, für Santa und für sie. Azalea habe ihr versprochen, sie werde ihr ein andermal welche mitbringen. Die Pfannkuchen schmeckten nach Fett, und ich mußte mich übergeben. Azaleas Besuch hatte mich traurig gemacht. Ich bereute, daß ich sie gebeten hatte, dem Nini zu sagen, er solle mich besuchen. Welchen Eindruck würde ich auf ihn machen, wenn er wirklich kam? Ich erkannte mich selbst nicht mehr, wenn ich in den Spiegel sah. Als wäre ich gar nicht mehr dieselbe. Wie rasch lief ich früher die Treppe hinauf. Jetzt war mein Schritt schwer geworden, ich hörte ihn im ganzen Haus widerhallen.
    Einige Tage später sah ich tatsächlich Giovanni heraufkommen. Er fuhr mit einem Motorrad vor. Ein Freund hatte es ihm geliehen. Kaum war er abgestiegen, zeigte er mir, daß er eine Uhr hatte. Und sagte, er habe sie mit dem Geld gekauft, das er mit einer Provision verdient habe.
    »Was ist eine Provision?« fragte ich ihn.
    Er erklärte mir, er habe von einem Mann den Auftrag bekommen, jemanden zu finden, der dessen Lieferwagen kaufte. Ohne Mühe habe er dann zweihundert Lire in der Tasche gehabt.
    »Nur Dummköpfe schuften acht Stunden am Tag in der Fabrik wie der Nini. Das Geld fließt einem von selber in die Tasche. Man muß nur reden können. Der Nini ist die ganze Zeit todmüde, und sonntags schließt er sich ein und schläft. Auch weil er jetzt schlimmer trinkt als früher.«
    »Siehst du ihn oft?« fragte ich.
    »Kaum. Er wohnt jetzt woanders.«
    »Lebt er nicht mehr mit Antonietta zusammen?«
    »Nein.«
    Ich wollte ihn noch weiter über den Nini ausfragen, doch er begann wieder von Geld zu reden, von dem Lieferwagen, den er verkauft hatte, und von einer anderen Provision für irgendwelches Eisen, das er demnächst bekommen müsse. Er setzte sich zu Santa in die Küche und half ihr Kastanien schälen, und dabei prahlte er immer weiter und erzählte von der Provision und von seiner Absicht, sich ein Motorrad zu kaufen, sobald er genug Geld beisammen habe. Santa machte sich auf den Weg zur Abendandacht, und wir blieben allein am Feuer.
    »Geht es dir gut hier?« fragte er mich.
    »Ich langweile mich«, sagte ich.
    »Giulio ist in der Stadt. Antonietta und ich haben ihn im Café getroffen. Er hat sich zu uns gesetzt und uns ein Getränk ausgegeben. Er hat gesagt, er studiert bis zum Umfallen und hat keine Zeit, dir zu schreiben.«
    »War Nini auch da?« fragte ich ihn.
    »Nein, er war nicht da, denn er und Antonietta sind jetzt wie Hund und Katze. Antonietta sagt, daß er sie wie ein Flegel behandelt hat und eines Morgens auf und davon gegangen ist und dabei schlimmer herumgeschrien hat als ein Teufel. Jetzt wohnt er allein in einem Zimmer, in dem er seine Bücher gestapelt hat, und wenn er aus der Fabrik kommt, vergräbt er sich da drin und liest und trinkt. Wenn ich komme, versteckt er die Flasche. Er kauft sich nicht mal was zu essen und läßt sich so verdrecken, daß man Angst kriegt. Antonietta hat mich beauftragt, ihm einige Bücher zu bringen, die er bei ihr gelassen hatte. ›Antonietta, die schenk ich dir‹, hat er zu mir gesagt, ›nimm meinen Platz ein und zieh zu ihr, da wird es dir besser gehen als bei dir zu Hause; sie kocht hervorragend, die Antonietta, und den Braten macht sie köstlich.‹«
    »Ja und wirst du es tun?«
    »Ich bin doch nicht blöd«, sagte er zu mir, »wenn ich zu ihr ziehe, muß ich sie am Ende noch heiraten. Ich behalte sie, solange ich Lust habe, und dann laß ich sie sitzen, so wie es der Nini gemacht hat. Erstens kapiert man, wenn sie noch nicht angemalt ist, genau, wie alt sie ist. Und außerdem jammert sie dauernd, daß es einen langweilt, ihr zuzuhören.«
    Er blieb zum Abendessen und erschreckte Santa mit der Geschichte eines Gespensts, das nachts auf der Straße spukte. Ich ging mit ihm in den Garten hinaus.
    »Ade«, sagte er und schwang sich in den Sattel, »bleib lustig. Wenn du nicht mehr diese Wassermelone vor dir herträgst, lade ich dich mit Antonietta ins Kino ein. Im Kino

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