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Die Straße in die Stadt

Die Straße in die Stadt

Titel: Die Straße in die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalia Ginzburg
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Leuten bloßstellen. Doch Giovanni sagte zu mir, es sei nichts Wahres daran, weil der Nini ein zu kalter Typ gewesen sei, der sich nicht für Frauen interessierte und dem nur das Trinken am Herzen lag. Als er ihn angetroffen habe, wie er auf dem Bett lag und phantasierte, habe er geglaubt, er sei betrunken, und den Wasserkrug über ihm ausgeleert, und Antonietta sage, das habe ihn noch kränker gemacht. Denn Giovanni war dann Antonietta holen gegangen, und Antonietta hatte sofort gesagt, das sehe nach Lungenentzündung aus. Sie hatten einen Doktor gerufen, und drei Tage lang hatte Antonietta dem Nini Breiumschläge auf dem Rücken gemacht, wie der Doktor es befohlen hatte, und sie hatte das Zimmer gesäubert und Decken von sich zu Hause mitgebracht. Aber der Nini schnaufte laut beim Atmen und hörte nicht mehr auf zu phantasieren und wollte sich aus dem Bett werfen, und man mußte ihn mit Gewalt festhalten, bis er gestorben war.
    Am Abend, als Giulio kam, fand er mich in Tränen aufgelöst, ich weinte und ging im Zimmer umher und wollte mich nicht wieder ins Bett legen. Auf dem Tisch stand das Abendessen, das die Nonne mir gebracht hatte, die Suppe schon kalt in dem Teller, den ich nicht angerührt hatte.
    »Was ist passiert?« fragte er.
    »Der Nini ist tot«, sagte ich, »Giovanni hat es mir gesagt.«
    »Dieses Schwein von Giovanni«, sagte er, »wenn ich ihn treffe, schlage ich ihm die Fresse ein.«
    Er nahm mich am Handgelenk und sagte, ich hätte Fieber, und bat mich, ins Bett zurückzukehren. Doch ich antwortete nicht und weinte weiter, und er sagte zu mir, er schäme sich, wenn mich die Nonnen so sähen, halbnackt, wie ich sei, mit vorne ganz offenem Morgenrock, und ob ich mir auch eine Lungenentzündung holen und in die andere Welt hinübergehen wolle wie der Nini. Er war beleidigt und rief Azalea an, sie solle kommen, und las dann die Zeitung, ohne mich noch einmal anzusehen.
    Azalea kam und sagte zu ihm, er solle im Restaurant zu Abend essen, und daraufhin ging er und sagte, er lasse uns allein mit unseren Geheimnissen, denn er zähle ja sowieso nicht und werde nicht gebraucht.
    »Er ist eifersüchtig«, sagte Azalea, als er fort war, »alle sind sie eifersüchtig.«
    »Der Nini ist tot«, sagte ich zu ihr.
    »Das ist keine Neuigkeit«, sagte sie zu mir, »er ist tot. Ich habe auch geweint, als ich es erfahren habe. Dann habe ich gedacht, daß es besser ist für ihn. Ginge es mir doch auch bald so. Ich habe genug vom Leben.«
    »Ich bin schuld an seinem Tod«, sagte ich zu ihr.
    »Du?«
    »Weil er mich liebhatte«, sagte ich zu ihr, »und ich ihn quälte und es mir Spaß machte, ihn leiden zu sehen, bis er angefangen hat, mehr zu trinken als vorher und immer allein in seinem Zimmer zu sein, und ihm nichts mehr wichtig war, nachdem er erfahren hatte, daß ich heiratete.«
    Azalea aber sah mich an, ohne mir zu glauben, und sagte beinahe ärgerlich:
    »Wenn einer stirbt, setzt man sich immer irgendwas in den Kopf. Der Nini ist gestorben, weil er krank war, und du kannst nichts dafür, es ist sinnlos, daß du das jetzt so ausschmückst. Er machte sich gar nichts aus dir, sondern sagte immer, du seist dumm und könntest den Männern nicht widerstehen und du tätest ihm leid.«
    »Er hatte mich lieb«, sagte ich zu ihr, »er nahm mich immer an den Fluß mit zum Reden. Er las mir aus seinen Büchern vor und erklärte mir, was drinstand. Einmal hat er mich geküßt. Und ich hatte ihn auch lieb. Aber ich verstand es nicht, sondern glaubte, es gefiele mir, mit ihm zu spielen.«
    »Es ist sinnlos, daß du jetzt anfängst, vom Nini zu träumen«, sagte sie zu mir, »der Nini oder ein anderer, das ist dasselbe. Nur um jemanden zu haben, weil das Leben zu melancholisch ist für eine Frau, wenn sie allein ist. Der Nini war etwas weniger dumm als die anderen, das ist wahr, und außerdem hatte er so leuchtende Augen, daß man meint, sie immer noch auf sich zu spüren, aber nach einer Weile wurde er lästig, und man verstand nie, was er dachte. Mich wundert es nicht, daß er gestorben ist, schon halb verfault vom Grappa, wie er war, seltsam ist höchstens, daß er nicht früher gegangen ist.«
    Giulio kehrte zurück, und Azalea eilte davon, weil es spät war und ihr Mann heimkam und Ottavia Zahnschmerzen hatte und nicht kochen konnte.
    In der Nacht träumte ich, der Nini sei ins Krankenhaus gekommen, habe heimlich das Kind genommen und sei wieder weggegangen, aber ich lief hinter ihm her und fragte ihn, wohin er das Kind

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