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Die Straße in die Stadt

Die Straße in die Stadt

Titel: Die Straße in die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalia Ginzburg
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sie viel mehr gelitten als ich. Die Ärzte hätten sie gelobt für ihre Tapferkeit. Trotz der Meinung der Ärzte habe sie damals darauf bestanden, stillen zu wollen. Sie sagte, sie habe den ganzen Tag geweint, weil sie erfahren habe, daß ich nicht stillte. Sie kramte in ihrer Handtasche nach dem Taschentuch und trocknete sich die Tränen.
    »Es ist traurig, wenn man dem Kind die Mutterbrust verweigert«, sagte sie zu mir. Aber sie fügte hinzu, daß ich sowieso keinen schönen Busen hätte. Sie trat heran und sah mir unter das Nachthemd. Mit so einem Busen könne ich nicht stillen. Ich wurde wütend und sagte ihr, daß ich schlafen wolle, weil ich müde sei und Kopfschmerzen hätte. Daraufhin fragte sie mich, ob ich beleidigt sei, streichelte mich am Kinn und sagte, sie sei vielleicht etwas zu ehrlich. Sie zog eine Packung Datteln hervor und schob sie mir unter das Kopfkissen.
    »Nenn mich Mama«, sagte sie im Hinausgehen.
    Als sie fort war, aß ich nacheinander alle Datteln auf und legte die Schachtel beiseite, weil ich dachte, ich könne sie brauchen, um Handschuhe darin aufzubewahren. Und dann dachte ich an bestimmte Handschuhe, die ich mir nach dem Krankenhaus kaufen würde, aus weißem Leder mit schwarzen Nähten, wie Azalea sie hatte, und an all die Kleider und Hüte, die ich mir machen lassen wollte, um elegant zu sein und meine Schwiegermutter zu ärgern, die sagen würde, daß ich das Geld hinauswarf. Aber ich war traurig, weil meine Schwiegermutter gekommen war und ich sie jetzt gewiß immer um mich haben würde, und weil mir schien, das Kind sehe ihr ähnlich. Als sie mir das Kind brachten und es neben mich ins Bett legten, sagte ich mir, es sehe ihr wirklich ähnlich und ich hätte es deshalb nicht lieb. Es machte mich traurig, diesen Jungen auf die Welt gebracht zu haben, der das lange Kinn meiner Schwiegermutter hatte und auch Giulio ähnlich sah, von mir aber gar nichts hatte. ›Wenn ich Giulio liebhätte, hätte ich auch das Kind lieb‹, dachte ich, ›aber so kann ich es nicht liebhaben.‹ Dennoch war an seinen weichen, feuchten Haaren, an seinem Körper und seinem Atem etwas, das mich anzog und mir im Gedächtnis blieb, wenn sie es wegtrugen. Ihm war es gleich, ob ich es liebhatte, ob ich traurig oder fröhlich war und was ich mir kaufen wollte und welchen Gedanken ich nachhing, und es dauerte mich zu sehen, wie klein und dumm es noch war, denn es wäre schön gewesen, wenn ich mit ihm hätte sprechen können. Es mußte niesen, und ich deckte es mit dem Schal zu. Und voll Staunen erinnerte ich mich, daß ich es in mir getragen hatte, daß es so lange unter meinem Kleid gelebt hatte, als ich mit der Tante in der Küche saß und als der Nini mich besucht hatte und wir zusammen spazierengegangen waren. Warum ließ Nini sich nicht blicken? Aber es war besser, daß er noch nicht kam, denn ich war noch zu schwach und müde, und jedesmal, wenn ich mich beim Sprechen erregte, tat mir der Kopf weh. Und außerdem hätte er etwas Böses über das Kind gesagt.
    Giulio kam immer gegen Abend zu mir, wenn die Nonnen beteten und neben meinem Bett eine kleine Lampe mit seidenem Lampenschirm brannte. Wenn er kam, begann ich sofort zu jammern, daß ich mich nicht wohl fühlte, daß mein ganzer Körper schmerzte, als hätten sie mich geschlagen und getreten, und es stimmte, aber ich genoß es auch, ihn zu erschrecken. Und dann fügte ich hinzu, ich hätte genug davon, im Krankenhaus zu liegen, die Stunden vergingen einfach nie, und sagte zu ihm, eines schönen Tages würde ich davonlaufen, um ins Kino zu gehen. Dann fing er an mich zu bitten, ich möge Geduld haben, und tröstete mich und versprach, mir ein Geschenk mitzubringen, wenn ich ihn nicht zur Verzweiflung triebe. Jetzt war er zärtlich zu mir und sagte, er würde alles geben, wenn ich nur zufrieden wäre, und er habe schon eine Wohnung in der Stadt gemietet, mit Aufzug und allem Nötigen.
    Es war nicht wahr, daß es mir nicht gefiel, im Krankenhaus zu liegen, es gefiel mir, weil ich nichts tun mußte, hinterher dagegen würde ich das Kind wiegen und ihm die Milch zubereiten und ihm alle Augenblicke den Popo waschen müssen. Jetzt wußte ich nicht einmal genau, wie man es wickelte, und außerdem erschrak ich, wenn es schrie, weil es rot und blau anlief und aussah, als würde es platzen. Aber manchmal packte mich die Wut, weil ich nicht aufstehen und in den Spiegel schauen und Kleider anziehen und hinausgehen durfte, um die Stadt zu sehen, jetzt, wo ich

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