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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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sehr ich Chopin liebe…« Sie betonte den Namen mit dem korrekten französischen Akzent. »Aber diese Ballade kommt meiner Meinung nach fast absoluter musikalischer Perfektion gleich. Ich nehme an, du hast sie schon gespielt, Eleanor?« Ihre Stimme und ihr Gebaren waren so heiter und gelassen wie immer, aber wäre ich etwas älter und weiser gewesen, hätte ich vielleicht die tiefe Gefühlsbewegung in ihren wasserfarbenen Augen bemerkt.
    Stattdessen warf ich meine goldenen Locken zurück, die ich mich entgegen der herrschenden Mode entschieden
weigerte, kurz schneiden zu lassen, und beobachtete die Reaktion des Mannes in der Nachbarloge scharf. »Ach, ich habe alle diese Balladen schon vor langer Zeit gespielt.«
    »Gefallen sie dir denn nicht?«
    Ich zuckte betont lässig die Achseln. »Schon. Für das Werk eines kranken, sterbenden Mannes sind sie nicht schlecht.« Wenn nicht just in diesem Moment die Lichter verdunkelt worden wären und die Musiker begonnen hätten, ihre Instrumente zu stimmen, hätte ich vielleicht Marys tadelnden Blick aufgefangen oder mir wäre aufgefallen, mit welcher Intensität mein Großvater das Programm studierte.
    Ich ließ die ersten beiden Stücke über mich ergehen - ein Konzert von Bach und eine Sonate von Mozart, beide für Violine. Dann kam die Pause, während der ich mich einzig und allein darauf konzentrierte, gesehen und vorgestellt zu werden. Als wir den Saal wieder betraten, wurde ich mir einer seltsamen Spannung bewusst, die in der Luft lag. Leises Stimmengewirr drang zu uns empor. Es gab eine lange Verzögerung, während der das Gemurmel der Menge immer gepresster wurde. Ich wusste, dass ich mich in meinem Sitz vorbeugte, konnte aber weder den Grund dafür nennen noch mich davon abhalten.
    In dem Moment, in dem er auf die Bühne trat, entlud sich die aufgestaute Spannung in donnerndem Applaus, und ich begann zu begreifen. So lange ich lebe, werde ich den Augenblick, in dem ich ihn zum ersten Mal sah, nie vergessen. Er stand in dem rauchigen Rampenlicht und wirkte angesichts all dieser Beifallsstürme linkisch und verlegen. Sein Gesicht hob sich weiß von seinem schwarzen Jackett ab, nur auf seinen Wangen loderten zwei rote Flecken. Sein Haar und seine Augen waren dunkel, seine Züge so klar und ebenmäßig wie die einer Statue.
    »Was ist los, William?«, fragte Mary erstaunt. »Was geht hier vor?« Sie blinzelte in das Licht auf der Bühne.

    »Was soll denn hier vorgehen?«, erwiderte mein Großvater barsch. Diesmal entging mir seine ungewöhnliche Verwirrung nicht. Normalerweise legte er stets eine kühle Gelassenheit an den Tag.
    Mary verdrehte die Augen und wandte sich vertraulich an mich. »Eleanor? Es muss doch irgendeinen Grund für diese Aufregung geben.«
    »Es liegt an ihm«, gab ich weich zurück. »Dem Pianisten. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Mann gesehen, der so gut … Mary, er sieht mehr als einfach nur gut aus.« Sie musterte mich überrascht. Bemerkungen über das Aussehen anderer Menschen war sie von mir nicht gewohnt. Doch ich achtete weder auf ihren forschenden Blick noch auf die zusammengepressten Lippen meines Großvaters. Meine ganze Aufmerksamkeit war auf den Mann auf der Bühne unter mir gerichtet.
    Als er den Kopf hob und den Blick mit einem Ausdruck von Verlorenheit durch den Saal schweifen ließ, war ich sicher, dass sich unsere Augen einen Moment lang begegneten. Und ich, die ich für Sentimentalität immer nur Verachtung übrig gehabt hatte, war wie verzaubert. Ich saß wie gebannt auf der äußersten Kante meines Sitzes, als er seinen Platz auf der Bank einnahm und seine Hände einen Moment lang über den Tasten schwebten, ehe er sich in der Musik verlor.
    Zuerst spielte er die Sonate, mit mehr Geschick und Einfühlungsvermögen, als ich je zu erreichen hoffte. Die Etüden klangen so flüssig, dass die sich dahinter verbergende präzise mechanische Arbeit nicht ein einziges Mal durchschimmerte. Dennoch verdiente keines der kurzen Stücke die überschwänglichen Lobeshymnen, mit der die Kritik ihn überschüttet hatte.
    Er legte eine kurze Pause ein, bevor er mit der Ballade begann, und faltete die Hände. Als er sie wieder voneinander
löste, schien die Spannung im Saal erneut ins Unerträgliche zu wachsen. Eine unerklärliche Panik würgte mich plötzlich in der Kehle; ich konnte mit einem Mal nur noch an Flucht denken. Ich sprang auf, stellte aber fest, dass ich zwischen Beinen, Röcken und Handtaschen gefangen war.
    »Eleanor«,

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