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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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keinen Widerspruch; es war ein Ton, den er mir gegenüber nur sehr selten anschlug und nie ohne guten Grund. Ich sah ihn verwirrt an, doch er wich meinem Blick aus. Mary zupfte sacht an meiner Hand und zog mich zum Ausgang. Ich versuchte ein letztes Mal, einen Blick des Pianisten aufzufangen, aber die Menge hatte sich bereits wieder um ihn geschlossen und schirmte ihn so wirkungsvoll vor mir ab, wie mein Großvater es sich nur wünschen konnte.
    »Kennst du ihn?«, fragte ich, als wir in die verschneite Nacht hinaustraten.
    »Nein«, erwiderte er knapp, dabei starrte er auf den Boden vor sich.

    »Er schien dich aber zu kennen - oder uns etwas zu sagen zu haben.«
    Weder gab er mir eine Antwort, noch sah er mich an. Mary lächelte mitfühlend, als wir in das Auto stiegen, aber die Wahrheit lautete, dass ich den Zwischenfall schon fast aus meinen Gedanken verdrängt und mich anderen Dingen zugewandt hatte. Ich hatte noch nicht begonnen, die komplizierten Empfindungen zu analysieren, die die Augen des ausländischen Pianisten in mir geweckt hatten. Zum damaligen Zeitpunkt genügte es mir, dass er mich bemerkt hatte. Dennoch ließ ich die kleine Szene in den kommenden Monaten häufig vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen, manchmal mit Bedauern, manchmal voller Vergnügen, aber immer mit einem abstrusen Gefühl innerer Leere und voll Verlangen.
    Als wir durch den leise fallenden Schnee an dem unter einer weißen Decke daliegenden Public Garden vorbei nach Hause fuhren, war mein Herz leichter, als es danach viele Monate lang sein sollte. Ich verabschiedete mich von Mary, dann gab ich meinem Großvater einen Gutenachtkuss und dankte ihm für diesen wundervollen Geburtstag.
    Am nächsten Morgen fand ich ihn tot in seinem Bett. Er war einem Herzinfarkt erlegen, und ich blieb einmal mehr als Waise zurück.
    Zwei Nächte später fiel ich, das Gewirr der vielen teilnahmsvollen Stimmen noch immer in den Ohren, in einen erschöpften Schlaf. In dieser Nacht träumte ich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder von Eve. Sie wiegte mich in den Armen, während ich weinte, so wie sie mich seit der Nacht, in der meine Mutter starb, nicht mehr gewiegt hatte, und erzählte mir mit leiser Stimme von einem Ort namens Eden.

2. Kapitel
    D er volle Name lautete Eden’s Meadow. Ich hatte ihn während meiner Kindheit gelegentlich gehört, ihn aber zusammen mit der Erinnerung an einen flüchtigen Blick auf ein stark vergilbtes Foto des Elternhauses meiner Großmutter in dem hintersten Winkel meines Gedächtnisses abgelegt. Wir hatten die Plantage nie besucht, und ich hatte nie irgendein Interesse daran gezeigt. Alles, was ich über diesen am Rand der Atchafalaya-Wildnis gelegenen Ort wusste, war, dass er früher eine Baumwollplantage gewesen war.
    Und doch wollte ich genau dorthin fahren, nachdem ich erfahren hatte, dass sie ein Teil meines Erbes war. Ein anderer Ort, ein anderes Leben - das wiederholte ich Freunden und Bekannten gegenüber, die mich fragten, warum ich meine Vergangenheit, meine Zukunft und alles, was ich kannte, aufgeben wollte, immer wieder. Ich konnte ihnen nicht erklären, dass ich in Boston keine Zukunft für mich sah, nur die Scherben meiner Vergangenheit. Alles erschien mir grau und leer; alles, was mir vertraut gewesen war, war mit meinem Großvater gestorben, sodass ich mich in meinem eigenen Haus wie ein unwillkommener Gast, in meiner eigenen Stadt wie eine Fremde fühlte. Außerdem herrschte in Neuengland gerade Winter. Eden’s Meadow - diese Worte klangen nach Tropen, Wärme und Leben.
    Den Tag nach der Beerdigung verbrachte ich damit, von einem Raum des alten Stadthauses zum anderen zu schlendern. Ich empfand nichts außer einer bleiernen Leere, die sich nach und nach in meiner Magengrube festsetzte. Vom
Fenster meines ehemaligen Kinderzimmers aus blickte ich durch das Gewirr von Efeuranken und kahlen Rosenzweigen auf den Engel im Park hinab. Schnee lag auf seinem Haar und seinen Flügeln. Er starrte im letzten Zwielicht nachdenklich zu Boden. Es war nicht so, dass ich Rat bei meinem alten Freund gesucht hätte, ich hatte meine Entscheidung bereits getroffen. Zum Abschied berührte ich sacht den kalten Fensterrahmen.
     
    Anfang Februar saß ich auf dem Weg nach Baton Rouge und in ein Leben, von dem ich noch keinerlei Vorstellung hatte, im Zug. Es war nicht schwer gewesen, Mary dazu zu bewegen, mich zu begleiten; seit dem Tod ihres Mannes hatte sie keine Familie mehr und außer meinem Großvater und mir keine

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