Die stumme Bruderschaft
begleiten und mit niemandem darüber sprechen, was ich dem Kaiser mitteilen werde.«
Die drei Ritter nickten und folgten ihrem Oberen auf den Hof, wo die Knechte schon die Rüstungen bereithielten. Drei Diener zu Pferd und drei Esel mit schweren Säcken schlossen sich ihnen an.
Die Sonne war gerade aufgegangen, als sie im Palast eintrafen. Die Diener des Palastes waren überrascht, als sie den Ordensoberen sahen. Irgendetwas Wichtiges musste da vorgehen, dass er um diese Uhrzeit im Palast auftauchte.
Der Sekretär war gerade mit Lesen beschäftigt, als ein Diener in sein Zimmer stürzte, um ihm von der Anwesenheit Saint-Remys und seiner Ritter und von ihrem Anliegen zu berichten.
Er eilte ihnen entgegen.
»Mein guter Freund, ich hatte Euch nicht erwartet …«
»Ich muss dringend den Kaiser sprechen«, antwortete Saint-Remy kurz angebunden.
»Sagt mir, was liegt an?«
Der Templer dachte nach.
»Ich habe wichtige Neuigkeiten für den Kaiser, ich muss unter vier Augen mit ihm sprechen.«
De Molesmes begriff, dass er aus dem verschwiegenen Templer nicht mehr herausholen würde. Er könnte versuchen, ihm etwas zu entlocken, indem er behauptete, Balduin könne ihn nicht empfangen, ohne dass er, sein Berater, sich davon überzeugt habe, dass die Angelegenheit wirklich dringlich war. Aber diese Taktik würde bei Saint-Remy nicht funktionieren: Wenn er ihn zu lange warten ließe, würde er wortlos wieder verschwinden.
»Wartet hier, ich werde den Kaiser informieren, dass Ihr ihn dringend sprechen wollt.«
Die drei Templer warteten schweigend. Sie wussten, dass unsichtbare Augen sie beobachteten, die Lippen lesen konnten. In dem Moment erschien der Comte de Dijon zu seinem Treffen mit dem Sekretär.
»Meine Herren …«
Sie neigten den Kopf. Die Templer schenkten dem überraschten Comte kaum Aufmerksamkeit. Nach einer halben Stunde kam der Sekretär zurück.
Er verzog das Gesicht, als er den Comte de Dijon sah, obwohl der Termin mit dem Repräsentanten des französischen Königs außerordentlich wichtig war.
»Der Kaiser wird Euch in seinen Privatgemächern empfangen. Und Ihr, Comte, müsst auf mich warten, denn ich muss dort bleiben, falls der Kaiser mich braucht.«
Balduin wartete in dem Saal neben dem Thronsaal. Er war beunruhigt wegen des unerwarteten Besuchs. Er ahnte, dass die Templer schlechte Nachrichten hatten.
»Sagt, meine Herren, was ist so eilig, dass es nicht warten kann, bis ich Euch zu einer Audienz empfange, wie es sich gehört?«
André de Saint-Remy kam sogleich zum Thema.
»Herr, Ihr müsst wissen, dass Euer Onkel, Ludwig von Frankreich, in Al-Mansura gefangen gehalten wird. Über die Bedingungen zu seiner Freilassung wird verhandelt. Die Lage ist ernst. Ich hielt es für angebracht, dass Ihr informiert seid.«
Das Gesicht des Kaisers wurde blass, als würde das Blut aus seinem Körper schwinden. Ein paar Sekunden lang war er sprachlos. Sein Herz pochte, und seine Unterlippe zitterte wie damals, als er noch ein kleiner Junge war und alle Kraft zusammennehmen musste, um die Tränen zurückzuhalten, damit sein Vater ihn nicht strafte, weil er Schwäche zeigte.
Der Templer merkte, was in dem Kaiser vorging, und sprach weiter, damit er sich ein wenig fangen konnte.
»Ich weiß, wie viel Euer Onkel Euch bedeutet. Ich versichere Euch, dass wir alles tun werden, um seine Freilassung zu erreichen.«
Balduin brachte die Worte nur stammelnd hervor.
»Wann habt Ihr das erfahren? Wer hat es Euch gesagt?«
Saint-Remy ließ die Fragen unbeantwortet.
»Herr, ich weiß um die Probleme des Reichs, und ich bin gekommen, Euch unsere Hilfe anzubieten.«
»Hilfe? Sprecht …«
»Ihr wollt König Ludwig das Mandylion verkaufen. Er hat den Comte de Dijon geschickt, um mit Euch den Miet- oder Kaufvertrag auszuhandeln. Ich weiß, dass das Grabtuch in Eurem Besitz ist, und wenn der Vertrag geschlossen ist, wird der Comte es nach Frankreich bringen, um es Doña Blanca zu übergeben. Euch bedrängen die Genueser Bankiers, und der Botschafter von Venedig hat seiner Herrschaft geschrieben, dass der Rest des Reichs bald billig zu haben ist. Wenn Ihr nicht einen Teil der Schulden begleicht, werdet Ihr zum Kaiser des Nichts. Euer Reich ist fast nur noch ein Phantasiegebilde.«
Saint-Remys harte Worte trafen Balduin, der verzweifelt die in den weiten Ärmeln der Purpurtunika verborgenen Hände rang. Er hatte sich noch nie so allein gefühlt. Er suchte nach seinem Sekretär, aber die Templer hatten allein mit
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