Die stumme Bruderschaft
ihm sprechen wollen.
»Was schlagt Ihr vor?«, fragte Balduin.
»Der Templerorden ist bereit, Euch das Mandylion abzukaufen. Ihr könnt noch heute genügend Gold bekommen, um die dringlichsten Schulden zu begleichen. Genua und Venedig werden Euch in Ruhe lassen – es sei denn, Ihr verschuldet Euch wieder. Wir fordern Stillschweigen. Ihr müsst bei Eurer Ehre schwören, dass Ihr niemandem, wirklich niemandem, nicht einmal Eurem Sekretär, verratet, dass Ihr das Mandylion an den Templerorden verkauft habt. Niemand darf das je erfahren.«
»Warum wollt Ihr, dass ich schweige?«
»Ihr wisst, dass wir gerne mit Diskretion vorgehen. Wenn niemand weiß, wo das Mandylion ist, wird es keinen Zwist und keine Auseinandersetzungen unter Christen geben. Das Schweigen ist ein Teil des Preises. Wir vertrauen auf Euch, auf Euer Wort als Ehrenmann und Kaiser, aber in dem Verkaufsvertrag wird stehen, dass Ihr in der Schuld des Templerordens steht, wenn Ihr die Vertragsbedingungen öffentlich macht. Und wir fordern die sofortige Begleichung Eurer Schulden beim Templerorden.«
Der Kaiser konnte kaum atmen, so sehr krampfte sich sein Magen zusammen.
»Woher weiß ich, dass Ludwig wirklich gefangen gehalten wird?«
»Ihr wisst, dass wir Ehrenmänner sind, die zu Trug nicht fähig sind.«
»Wann kann ich das Gold haben?«
»Sofort.«
Saint-Remy wusste, dass die Versuchung für Balduin zu groß war. Wenn er ja sagte, könnte er sich seiner größten Nöte entledigen und mit den Venezianern und Genuesern reinen Tisch machen.
»Niemand am Hof wird glauben, dass das Geld vom Himmel gefallen ist.«
»Sagt Ihnen die Wahrheit, sagt, es ist von den Templern, aber sagt Ihnen nicht wofür. Sollen sie glauben, dass es ein Darlehen ist.«
»Und wenn ich nein sage?«
»Das ist Euer gutes Recht.«
Sie schwiegen. Balduin dachte darüber nach, ob seine Entscheidung richtig war. Saint-Remy war gelassen, er wusste, dass der Kaiser auf seinen Vorschlag eingehen würde, er kannte sich mit den Seelen der Menschen aus. Der Kaiser sah den Templer an und sagte leise:
»Also gut.«
Bartolomé dos Capelos gab dem Oberen ein Dokument und dieser reichte es dem Kaiser.
»Das ist der Vertrag. Lest ihn, es sind die Bedingungen, die ich erwähnt habe. Unterzeichnet ihn, und dann werden unsere Diener das Gold dort deponieren, wo Ihr es haben wollt.«
»So sicher wart Ihr Euch, dass ich darauf eingehen würde?«, klagte Balduin.
Saint-Remy sah den Kaiser schweigend an. Dieser nahm eine Gänsefeder, unterzeichnete den Vertrag und drückte das kaiserliche Siegel darauf.
»Wartet hier, ich werde das Mandylion holen.«
Der Kaiser verließ den Saal durch eine hinter einem Wandteppich verborgene Tür. Minuten später kam er zurück und übergab ihnen das gefaltete Tuch.
Die Templer falteten es auf, um sich zu vergewissern, dass es das echte Mandylion war, dann falteten sie es wieder zusammen.
Auf ein Zeichen von Saint-Remy verließen Roger Parker, der schottische Ritter, und der Portugiese dos Capelos den Saal und gingen zum Eingang des Palastes, wo die Diener warteten.
Pascal de Molesmes, der im Vorzimmer wartete, beobachtete, wie die Ritter und ihre Diener schwere Säcke anschleppten. Er wusste, dass er nicht zu fragen brauchte, was sie da trugen, und er war verwundert, dass der Kaiser ihn nicht gerufen hatte. Er war drauf und dran, in den Saal zu gehen, aber er wollte Balduins Zorn nicht erregen, es war klüger zu warten.
Zwei Stunden später, als alle Goldsäcke in dem geheimen Raum verstaut waren, verabschiedete Balduin sich von den Templern.
Er würde das Versprechen halten, Schweigen zu bewahren, nicht nur weil er sein Wort als Kaiser gegeben hatte, sondern weil er André de Saint-Remy fürchtete. Der Ordensobere war ein frommer Mann, ganz der Sache des Herrn ergeben, aber in seinem Blick sah man den Menschen dahinter. Ein Mensch, dem die Hand nicht zitterte, wenn es darum ging, das zu verteidigen, woran er glaubte, oder wozu er sich verpflichtet hatte.
Als Pascal de Molesmes den Saal betrat, fand er Balduin nachdenklich vor, aber ruhig, so als wäre eine große Last von ihm genommen worden.
Balduin berichtete ihm über die missliche Lage seines Onkels und dass er angesichts der Umstände ein weiteres Darlehen bei den Templern aufgenommen habe. Er werde die Schulden begleichen und warten, dass König Ludwig freikam.
Der Sekretär hörte ihm beunruhigt zu, er hatte das Gefühl, dass Balduin ihm etwas verschwieg, aber er sagte nichts.
»Was
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