Die stumme Bruderschaft
sind. Wir aber nicht, wer sie sind. Und unser Stummer taucht einfach nicht auf.«
»Minerva und ich, wir könnten euch ablösen.«
»Nein, das ist zu gefährlich. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn euch etwas zustößt. Bleibt, wo ihr seid.«
Eine Stimme unterbrach das Gespräch. Es war Pietro.
»Achtung, Marco! Der Stumme ist an der Ecke des Platzes aufgetaucht, in Begleitung einer Frau. Er führt sie am Arm. Sollen wir ihn verhaften?«
»Aus welchem Grund? Wozu? Das wäre absurd. Was sollten wir dann mit ihm machen? Aber verliert ihn ja nicht aus den Augen. Ich komme. Wenn wir ihn gesehen haben, dann auch die von seiner Organisation. Ich will keine Fehler mehr, wenn er euch noch mal entwischt, könnt ihr was erleben!«
Die Frau führte Mendibj zu ihrem Auto, einem Kleinwagen, und als sie die Tür aufgeschlossen hatte, stieß er sie hinein und setzte sich selbst ans Lenkrad.
Mendibj konnte kaum atmen, aber er schaffte es, den Wagen anzulassen und sich in den Nachmittagsverkehr einzufädeln.
Marcos Männer verfolgten ihn. Und die der Gemeinschaft. Und hinter ihnen allen, von niemandem bemerkt, die Mitglieder einer noch viel geheimeren Gemeinschaft.
Der Stumme fuhr durch die Stadt. Er musste die Frau loswerden, aber ihm war klar, dass sie dann sofort die Carabinieri verständigen würde. Trotzdem, er konnte sie nicht bis zum Friedhof mitnehmen. Als sie in der Nähe des Friedhofs angekommen waren, aber noch nicht so nah, dass die Frau hätte erraten können, wo er hinwollte, hielt er das Auto an. Er nahm die Handtasche der Frau, die ihn entsetzt ansah, holte den Kugelschreiber und ein weiteres Stück Papier heraus und schrieb:
»Ich lasse Sie jetzt frei. Keine Polizei! Gehen Sie, und sagen Sie niemandem, was passiert ist. Sonst komme ich wieder, glauben Sie mir!«
Die Frau las die Notiz, und ihr Blick war noch verängstigter.
»Ich schwöre Ihnen, ich werde nichts sagen, aber lassen Sie mich gehen!«, flehte sie.
Mendibj nahm den Zettel, zerriss ihn und warf die Schnipsel aus dem Fenster. Dann stieg er mühsam aus dem Auto. Er fürchtete erneut in Ohnmacht zu fallen, noch bevor er den Friedhof erreicht hätte.
Er schleppte sich eine ganze Weile dahin, setzte sich, wenn der Schmerz unerträglich wurde. Er betete zu Gott, er möge ihn retten. Er wollte leben, er wollte sich nicht der Gemeinschaft oder wem auch immer opfern. Er hatte schon seine Zunge und mehrere Jahre seines Lebens im Gefängnis geopfert.
Marco sah, wie der Stumme taumelte. Er war offensichtlich verletzt, und das Gehen fiel ihm schwer. Marco befahl seinen Männern, ihm in einigem Abstand zu folgen. Die beiden Typen waren ebenfalls weiter an dem Stummen dran. Die anderen dagegen hatten sich wohl zurückgezogen.
»Seid aufmerksam, am Ende müssen wir sie alle kriegen. Für den Fall, dass die beiden Typen sich entschließen, den Stummen nicht weiter zu verfolgen, teilen wir uns auf: Ein Teil verfolgt die’ Kerle und die anderen den Stummen.«
Bakkalbasis Männer unterhielten sich leise, während sie Mendibj mit gebührendem Abstand folgten.
»Er geht zum Friedhof. Er will bestimmt zu dem Tunnel. Sobald keine Leute mehr zu sehen sind, werde ich ihn erschießen«, sagte der eine.
»Immer mit der Ruhe. Ich habe das Gefühl, wir werden beobachtet. Die Carabinieri sind doch nicht blöd. Vielleicht ist es besser, wir warten, bis Mendibj in dem Mausoleum ist. Wenn wir hier draußen herumballern, wird man uns alle verhaften«, erwiderte der andere.
Es wurde allmählich dunkel. Mendibj ging schneller. Er wollte am Friedhof sein, bevor der Wächter das Tor schloss. Er fing wieder an zu bluten. Er drückte das Taschentuch, das er der Frau abgenommen hatte, gegen die Wunde. Wenigstens war es sauber.
Die Umrisse des Wächters zeichneten sich neben dem Friedhofseingang ab. Er schien besorgt auf jemanden zu warten. Beim Anblick Mendibjs machte er Anstalten, das Tor zu schließen, aber Mendibj gelang es mit größter Anstrengung, den Wächter beiseite zu schieben und zwischen den beiden Torflügeln hindurchzuschlüpfen. Mendibj sah ihn wütend an und verschwand im Inneren des Friedhofs. Der Wächter sah ihm eine Weile hinterher und verschwand dann in einer anderen Richtung.
Marcos sprach über den Sender zu allen an der Operation beteiligten Carabinieri.
»Er ist jetzt auf dem Friedhof. Wir gehen gleich hinterher. Was ist mit den beiden Typen?«
Über Funk kam die Antwort:
»Du müsstest sie gleich sehen. Sie sind ebenfalls
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