Die stumme Bruderschaft
gute Freunde waren. Sie hatte sie bei einigen Gelegenheiten getroffen und sympathisch gefunden. Sie hatte nur gefragt, wer denn diese Dottoressa Galloni sei, die die Valonis begleitete. Lisa hatte ihr erklärt, dass sie eine sehr gebildete Frau sei, die im Dezernat für Kunstdelikte arbeite und von den Valonis sehr geschätzt werde. Gina hatte nicht weiter gefragt.
Vier Kellner verteilten Cocktails unter den Gästen. Als Marco Valoni mit Paola und Sofia das Haus betrat, staunten sie nicht schlecht: Zwei Minister, ein Kardinal, ein paar Diplomaten, darunter der Botschafter der Vereinigten Staaten, Geschäftsleute, ein halbes Dutzend mit Lisa befreundete Universitätsprofessoren und ein paar Archäologen aus Ginas Freundeskreis gehörten zu den vielen Gästen.
»Ich fühle mich fehl am Platz«, flüsterte Marco den beiden Frauen zu.
»Ich mich auch«, antwortete Paola, »aber jetzt können wir nicht mehr zurück.«
Sofia hielt nach Umberto D’Alaqua Ausschau. Da war er, er sprach mit einer blonden, schönen, kultivierten Frau, die Lisa leicht ähnelte. Sie lachten, man sah, dass sie sich wohl fühlten.
»Willkommen. Paola, du siehst toll aus. Und Sie sind bestimmt Dottoressa Galloni. Sehr erfreut.«
Marco spürte Johns Unbehagen. Er war angespannt, seit Lisa sie zu dem Fest eingeladen hatte. Er hatte sogar versucht, ihn dazu zu bringen, die Einladung nicht anzunehmen, subtil, freundschaftlich versteht sich, aber er hatte offensichtlich nicht gewollt, dass sie kamen. Und Marco fragte sich, warum.
Lisa kam lächelnd auf sie zu. Auch sie wirkte angespannt. Oder leide ich schon unter Verfolgungswahn?, dachte Marco. Lisas Lachen war aufgesetzt, und in Johns sonst so ruhigem Blick lag Nervosität. Auch Gina kam, um sie zu begrüßen, und ihre Tante sagte, sie solle sie den übrigen Gästen vorstellen.
John bemerkte, welche Wirkung Sofia auf die Männer hatte. Sie zog alle Blicke auf sich, einschließlich den des Kardinals. Schnell war sie am Gespräch eines aus zwei Botschaftern, einem Minister, drei Geschäftsleuten und einem Banker bestehenden Grüppchens beteiligt.
In der weißen Armani-Tunika, mit offenem Haar und ohne weiteren Schmuck außer ein paar winzigen Brillantohrsteckern und einer Cartier-Uhr, war Sofia zweifellos die schönste Frau des Abends.
Das Gespräch drehte sich um den Irak-Krieg. Der Minister fragte sie freundlich nach ihrer Meinung.
»Verzeihung, aber ich bin dagegen. Meiner Meinung nach stellt Saddam Hussein für niemanden ein Bedrohung dar, außer für sein eigenes Volk.«
Die anderen waren alle der gegenteiligen Meinung, und so bekam das Gespräch neuen Aufwind. Sofia zählte Argumente gegen den Krieg auf, erteilte ihnen eine meisterhafte Lektion in Geschichte, und am Ende waren alle baff.
Währenddessen unterhielten sich Marco und Paola mit zwei der Archäologen, die sich genau so fehl am Platz fühlten wie sie.
Sofia behielt die ganze Zeit über die blonde Frau im Auge, die sich so angeregt mit D’Alaqua unterhielt. Als John auf das andere Grüppchen zuging, nutzte sie die Chance, um sich loszureißen und zurück zu ihren Freunden zu gehen.
»Vielen Dank für die Einladung, Signor Barry.«
»Wir freuen uns, dass Sie unsere guten Freunde Marco und Paola begleitet haben …«
Die blonde Frau drehte sich um und winkte.
»Das ist meine Schwägerin, Mary Stuart.«
»Sie sieht Lisa sehr ähnlich«, sagte Marco. »Stellst du sie uns vor?«
Sofia senkte den Kopf. Sie wusste, dass Marco aufs Ganze ging. Mary Stuart sprach mit D’Alaqua, das war die Gelegenheit an ihn heranzukommen.
In dem Moment kam Lisa.
»Liebling, Marco soll Mary und James kennen lernen.«
»Oh, ja, natürlich!«
Lisa führte sie dorthin, wo ihre Schwester und D’Alaqua und drei weitere Paare standen. Sofia sah D’Alaqua direkt in die Augen, aber der zuckte nicht mal mit der Wimper. Ob er sie erkannt hatte?
»Mary, ich will dir zwei meiner besten Freunde vorstellen, Marco und Paola Valoni. Und Dottoressa Galloni, die sie heute Abend begleitet.«
Lisas Schwester lachte sie offen an und stellte sie der Gruppe vor. D’Alaqua neigte höflich den Kopf und lächelte unberührt.
»Sehr erfreut. Sind Sie Archäologen, wie meine Schwester?«
»Nein, Mary. Marco ist Direktor des Dezernats für Kunstdelikte, Paola ist Professorin an der Uni, und Sofia arbeitet mit Marco zusammen.«
»Dezernat für Kunstdelikte? Was ist das?«
»Wir sind eine Spezialeinheit, die Verbrechen in der Kunstszene verfolgt. Raub,
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