Die stumme Bruderschaft
herzlich auf. Er sollte bei Johannes unterkommen, bis sie ein weiteres Zimmer an sein Haus angebaut hatten.
Harran war erleichtert, als er das hörte. Mit zittriger Stimme berichtete er, dass Maanu die Häuser aller Christen hatte verbrennen lassen, selbst die Adeligen waren nicht verschont geblieben. Er kannte kein Erbarmen, weder mit den Alten noch mit Frauen und Kindern. Das Blut der Unschuldigen hatte den weißen Marmor der Straßen der Stadt dunkel gefärbt, immer noch lag dort über allem der Geruch des Todes.
Obodas fragte leise nach seiner Familie, seinem Vater und seiner Mutter, die beide in Senins Diensten gestanden hatten und Christen waren wie er.
»Sie sind tot. Tut mir Leid, Obodas.«
Tränen rannen über die Wangen des Riesen, und die Worte von Timäus und Izaz konnten ihn nicht trösten.
Schließlich stellte Izaz die Frage, vor der er sich am meisten fürchtete: Was war aus seinem Onkel Josar und aus Thaddäus geworden?
»Josar wurde auf dem Platz getötet, wie Senin. Der Tod der Adeligen sollte dem Volk als Warnung dienen, alle sollten wissen, dass Maanu kein Erbarmen mit den Christen hat, ganz gleich, welcher Familie sie entstammen … Josar hat nicht einen Laut von sich gegeben. Maanu ist gekommen, um der Folterung beizuwohnen, und er zwang die Königin, sie mit anzusehen. Alles Flehen seiner Mutter half nichts. Die Königin kniete nieder und bat ihn darum, deinem Onkel das Leben zu lassen, aber Maanu ergötzte sich an ihrem Leiden … Ich weiß, es ist schrecklich, Izaz.«
Der Junge versuchte die Tränen zurückzuhalten. Alle hatten einen Grund zur Verzweiflung. Man hatte sie gedemütigt, und sie hatten die Menschen verloren, die sie liebten. Izaz spürte einen Knoten im Magen, und in ihm keimte der Wunsch nach Rache.
Der alte Timäus sah den Jungen und Obodas an und wusste um den Kampf in ihren Herzen.
»Rache ist keine Lösung. Ich weiß, ihr würdet euch besser fühlen, wenn Maanu bestraft würde, wenn ihr ihn mit großen Schmerzen sterben säht. Ich versichere euch, er wird bestraft werden. Er muss vor Gott für sein Tun Rechenschaft ablegen.«
»Timäus, sagst du nicht, dass Gott unendliche Barmherzigkeit ist?«, klagte Obodas. »Und auch unendliche Gerechtigkeit?«
»Und lebt die Königin noch?«, fragte da Izaz, obwohl er Angst vor der Antwort hatte.
»Nach dem Tod deines Onkels hat sie niemand mehr gesehen. Einige Diener des Palastes sagen, dass sie an gebrochenem Herzen gestorben sei und Maanu ihren Körper den Tieren in der Wüste zum Fraß habe vorwerfen lassen. Andere behaupten, der König habe befohlen, sie zu töten. Es tut mir Leid, Izaz … Ich bedaure, nur der Überbringer von Todesnachrichten sein zu können.«
»Mein Freund, der Überbringer ist nicht schuld an dem, was er berichtet«, beruhigte ihn Timäus. »Lasst uns zusammen beten. Gott möge den Zorn aus unseren Herzen reißen und uns helfen, den Schmerz über den Verlust der Menschen, die wir lieben, zu ertragen.«
22
Blumenduft erfüllte die Nacht. Rom strahlte hell zu Füßen der Gäste von John Barry und Lisa, die sich zahlreich auf der geräumigen Dachterrasse tummelten.
Lisa war nervös. John hatte sich aufgeregt, als sie ihm nach ihrer Rückkehr aus Washington mitteilte, dass sie ein Fest zu Ehren von Mary und James geben wollte und Marco und Paola dazu eingeladen hatte. Er hatte sie beschuldigt, ihrer Schwester gegenüber nicht fair zu sein.
»Wirst du Mary sagen, warum du Marco eingeladen hast? Nein, natürlich nicht, weil du das nicht kannst. Marco ist unser Freund, und ich bin bereit ihm zu helfen, wo immer es nötig ist, aber das heißt noch lange nicht, dass man da die Familie mit hineinzieht, und vor allem nicht, dass du deine Nase in die Ermittlungen des Dezernats für Kunstdelikte stecken sollst. Lisa, du bist meine Frau, ich habe keine Geheimnisse vor dir, aber ich bitte dich, misch dich nicht in meine Arbeit, das tue ich umgekehrt ja auch nicht. Ich hätte nie gedacht, dass du deine eigene Schwester benutzen würdest. Und vor allem, wozu das Ganze? Was hast du mit dem Brand in der Kathedrale zu schaffen?«
Das war der erste ernste Streit nach vielen Jahren. Sie hatte sich schuldig gefühlt. Ihr war klar geworden, dass sie leichtfertig gehandelt hatte, um ihren Freunden zu gefallen.
Mary hatte nichts gegen die Gästeliste einzuwenden gehabt, die sie ihr gemailt hatte. Auch Gina hatte nichts dagegen, als sie die Namen von Marco Valoni und seiner Frau Paola las; sie wusste, dass sie
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