Die stumme Bruderschaft
Fälschung, Schmuggel …«
»Wie interessant«, rief Mary Stuart aus, und man sah ihr an, dass es sie keineswegs interessierte. »Wir sprachen gerade über den Christus von El Greco, der in New York versteigert wurde … Ich versuche Umberto dazu zu bringen zu verraten, ob er ihn gekauft hat oder nicht.«
»Leider nicht«, sagte D’Alaqua.
Sofia war nervös und sagte keinen Ton, fasziniert starrte sie auf D’Alaqua. Dieser wandte sich ihr locker und distanziert zu.
»Wie laufen Ihre Ermittlungen, Dottoressa Galloni?«
Mary und die anderen sahen ihn erstaunt an.
»Ihr kennt euch?«, fragte Mary.
»Ja. Ich habe die Dottoressa vor ein paar Wochen in Turin empfangen. Ihr wisst schon, der Brand in der Kathedrale; das Dezernat für Kunstdelikte untersuchte – vielleicht sogar immer noch – die Einzelheiten des Brandes.«
»Und was hast du damit zu tun?«, fragte Mary.
»Die COCSA war mit den Reparaturarbeiten in der Kathedrale betraut, und die Dottoressa wollte herausfinden, ob der Brand ein Unfall war oder absichtlich gelegt wurde.«
Marco biss sich auf die Lippe. D’Alaqua bewies eine außerordentliche Selbstbeherrschung und trug öffentlich seine absolute Gleichgültigkeit gegenüber den Ermittlungen zur Schau. Eine Form, seine Unschuld kundzutun.
»Sagen Sie, Dottoressa, kann es denn wirklich Absicht gewesen sein?«, fragte eine Frau, eine Prinzessin, die ständig in irgendwelchen Herzschmerzblättchen auftauchte.
Sofia warf D’Alaqua einen wütenden Blick zu. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, nicht dazuzugehören, so als hätte sie sich durch die Hintertür eingeschlichen. Paola und Marco schienen sich auch nicht wohl zu fühlen.
»Wenn es an einem Ort mit vielen Kunstschätzen zu einem Vorfall kommt, wie in diesem Fall in der Kathedrale, sind wir gehalten, alle Möglichkeiten zu untersuchen.«
»Aber sind Sie zu einem Ergebnis gekommen?«, hakte die Prinzessin nach.
Sofia sah Marco an, und dieser räusperte sich, bevor er sprach.
»Prinzessin, unsere Arbeit besteht aus mehr Routine, als sich manch einer vorstellt. Italien ist ein Land mit einem außergewöhnlichen Kunstbesitz. Unsere Aufgabe ist es, diesen zu erhalten.«
»Ja, aber …«
Lisa unterbrach nervös die Prinzessin und rief den Kellner mit den Drinks. John nutzte die Gelegenheit, seinen Freund am Arm zu fassen und ihn, gefolgt von Paola, zu einer anderen Gruppe zu führen. Aber Sofia blieb stehen, wo sie war, und wandte den Blick nicht von D’Alaqua ab.
»Sofia« – Lisa wollte sie wegführen –, »ich möchte dir Professor Rosso vorstellen. Er leitet die Ausgrabungen in Herculaneum.«
»Was ist Ihr Fachgebiet, Dottoressa?«, fragte Mary.
»Ich bin promovierte Kunsthistorikerin, und dann habe ich noch einen Magister in alten Sprachen und italienischer Philologie. Ich spreche Englisch, Französisch, Spanisch, Griechisch und einigermaßen gut Arabisch.«
Sie hatte das voller Stolz gesagt, aber plötzlich fühlte sie sich lächerlich. Sie hatte diese reichen Leute zu beeindrucken versucht, denen es völlig gleichgültig war, was sie war oder was sie wusste. Sie war wütend auf all diese mächtigen Männer und schönen Frauen, die sie wie ein seltsames Tierchen bestaunten.
Lisa startete einen neuen Versuch.
»Kommst du, Sofia?«
»Lisa, nun lass uns doch das Gespräch mit der Dottoressa noch ein wenig genießen.«
Die Worte aus dem Mund von D’Alaqua überraschten Sofia. Lisa zuckte die Achseln, aber in der Absicht, das Grüppchen zu zersprengen, zog sie ihre Schwester mit sich fort. Auf einmal waren Sofia und D’Alaqua allein.
»Ich habe den Eindruck, Sie fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut, Dottoressa.«
»Das stimmt. Ich weiß nicht recht, warum.«
»Das sollten Sie nicht, und vor allem sollten Sie nicht gekränkt sein, weil Mary nach Ihrem Fachgebiet gefragt hat. Mary ist eine außergewöhnliche Frau, intelligent und sensibel, hinter ihrer Frage steckte keine böse Absicht, glauben Sie mir.«
»Ich denke, Sie haben Recht.«
»Irre ich mich oder sind Sie und Ihre Freunde in Wahrheit zu diesem Fest gekommen, weil Sie mich sehen wollten?«
Sofia bekam einen roten Kopf. Er hatte sie schon wieder kalt erwischt.
»Nein, mein Chef ist ein Freund von John Barry, und ich …«
»Sie sind sang und klanglos aus meinem Büro verschwunden, und jetzt haben Sie mit Ihrem Chef ausgemacht, ein zufälliges Zusammentreffen zu arrangieren. Das ist doch offensichtlich.«
Sofias Gesicht glühte. Sie war auf dieses Duell nicht
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