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Die stumme Bruderschaft

Die stumme Bruderschaft

Titel: Die stumme Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro
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auch sie den Raum.
    Hierauf führte Addaio seine acht Begleiter durch einen dunklen Flur bis zu einer kleinen verschlossenen Tür, die er mit einem Schlüssel öffnete. Es war die Kapelle. Bis zum Einbruch der Dunkelheit blieben sie dort.
     
    Addaio konnte nicht schlafen. Seine Knie waren geschunden vom stundenlangen Beten, dennoch verspürte er das Bedürfnis, sich zu kasteien. Gott wusste, wie sehr er ihn liebte, aber dieser Zorn, dieser Zorn, den er sich nie hatte aus der Seele reißen können. Satan hatte bestimmt seine Freude an dieser Todsünde.
    Als Guner leise in sein Zimmer kam, graute bereits der Morgen. Der treue Diener brachte ihm eine Tasse Kaffee und einen Krug mit frischem Wasser. Er half Addaio, aufzustehen und sich auf den einzigen Stuhl in dem nüchternen Schlafraum zu setzen.
    »Danke Guner, diesen Kaffee werde ich brauchen können. Was machen die Stummen?«
    »Sie arbeiten schon eine Weile im Garten. Sie sind zerknirscht, ihre Augen ganz rot vom vielen Weinen.«
    »Du bist mit der Strafe nicht einverstanden, nicht wahr?«
    »Ich gehorche, ich bin dein Diener.«
    »Nein! Nein das bist du nicht! Du bist mein einziger Freund, das weißt du sehr wohl, du hilfst mir …«
    »Ich diene dir, Addaio, und ich diene dir gut. Meine Mutter hat mich in deine Dienste gegeben, da war ich zehn. Für sie war es eine Ehre, dass ihr Sohn dir dient. Auf dem Totenbett musste ich ihr versprechen, mich immer um dich zu kümmern.«
    »Deine Mutter war eine Heilige.«
    »Sie war eine einfache Frau, die die Lehren ihrer Eltern ohne zu fragen übernommen hat.«
    »Hast du Zweifel an unserem Glauben?«
    »Nein Addaio, ich glaube an Gott und an Jesus unseren Herrn, aber ich habe meine Zweifel, dass dieser Wahnsinn, den ihr Hirten unserer Gemeinschaft seit Jahrhunderten betreibt, gut ist. Gott ehrt man mit dem Herzen.«
    »Du wagst es, die Grundpfeiler unserer Gemeinschaft in Frage zu stellen? Du wagst es zu behaupten, die heiligen Hirten, die mir vorausgegangen sind, hätten sich geirrt? Glaubst du, es ist leicht, die Befehle unserer Vorgänger zu befolgen?«
    Guner senkte den Kopf. Er wusste, dass Addaio ihn brauchte und liebte wie einen Bruder, er war der Einzige, den er an seinem Innenleben teilhaben ließ. Nachdem er so viele Jahre in seinen Diensten stand, wusste Guner, dass Addaio sich nur vor ihm zeigte, wie er wirklich war, ein leicht erzürnbarer Mann, erdrückt von der Last der Verantwortung, der allen misstraute und alle seine Autorität spüren ließ. Aber nicht ihn, Guner, der seine Kleidung wusch, seine Anzüge bürstete und ihm das Schlafgemach tadellos sauber hielt. Der ihn manchmal, nach einem seiner Fieberanfälle, triefäugig oder schwitzend und schmutzig zu sehen bekam. Der seine menschlichen Schwächen kannte und seine Bemühungen, vor den aufrichtigen Seelen, über die er wachte, majestätisch zu erscheinen.
    Guner würde sich nie von Addaio trennen. Er hatte das Keuschheits- und Gehorsamkeitsgelübde abgelegt und seine Familie, seine Eltern, als sie noch lebten, und seine Geschwister und Nichten und Neffen waren wirtschaftlich abgesichert durch die Zuwendungen Addaios und in der Gemeinschaft geachtet.
    Er diente Addaio seit vierzig Jahren und kannte ihn mittlerweile so gut wie sich selbst; deswegen fürchtete er ihn auch, trotz des Vertrauens, das zwischen ihnen gewachsen war.
    »Glaubst du, dass es unter uns einen Verräter gibt?«
    »Kann schon sein.«
    »Hast du jemanden in Verdacht?«
    »Nein.«
    »Aber wenn, dann würdest du es mir sagen, oder?«
    »Nur, wenn ich mir sicher wäre, dass mein Verdacht begründet ist. Ich will niemanden aus einem Vorurteil heraus anschwärzen.«
    Addaio sah ihn an. Er beneidete Guner um seine Gutmütigkeit, sein gemäßigtes Temperament, und er dachte, eigentlich wäre Guner ein viel besserer Hirte als er. Die, die ihn ausgewählt hatten, hatten einen Fehler gemacht, weil sie sich zu sehr nach dem Stammbaum gerichtet hatten und der unsinnigen alten Sitte gefolgt waren, die Abkömmlinge großer Männer vorzuziehen.
    Guner stammte aus einer armen Bauernfamilie, und seine Vorfahren hatten sich genau wie die seinigen an der Bewahrung des Geheimnisses ihres Glaubens beteiligt.
    Und wenn er zurücktrat? Wenn er ein Konzil einberief und vorschlug, Guner zum Hirten zu machen? Nein, das würden sie niemals tun. Sie würden ihn für verrückt erklären. Und das wurde er tatsächlich allmählich, weil er als Hirte ständig gegen seine menschliche Natur, gegen die Sünde des

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