Die stumme Bruderschaft
plaudern sah und sie offenkundig D’Alaquas Interesse geweckt hatte.
»Ihre Freundin ist bezaubernd.«
Die fröhliche Stimme von Mary Stuart holte Marco in die Realität zurück. Oder war es der dezente Ellenbogenstüber von Paola?
»Ja, das ist sie«, sagte Paola. »Eine hochintelligente Frau.«
»Und sehr schön«, befand Mary. »Ich habe Umberto noch nie so interessiert an einer Frau gesehen. Es ist auffällig, wie viel Aufmerksamkeit er ihr widmet. Er wirkt zufrieden, entspannt in ihrer Gegenwart.«
»Er ist Junggeselle, nicht wahr?«, fragte Paola.
»Ja, wir haben nie verstanden, warum. Er hat alles: Er ist intelligent, attraktiv, gebildet, reich und darüber hinaus ein netter Mensch. Ich weiß nicht, warum ihr ihn nicht öfter trefft, John und du.«
»Mary, Umbertos Welt ist nicht unsere. Und deine auch nicht, da magst du tausendmal meine Schwester sein.«
»Bitte, Lisa, jetzt red doch keinen Unsinn.«
»Ich rede keinen Unsinn. In meinem täglichen Leben, in meinem Beruf, gibt es weder Minister, noch Banker, noch Unternehmer. Warum auch. Und auch nicht in Johns Leben.«
»Jetzt verfall doch nicht in das alte Klischee, die Leute danach zu beurteilen, was auf ihrer Visitenkarte steht.«
»Das tue ich nicht, ich sage nur, dass ich Archäologin bin. In meinen Kreisen ist es eher unwahrscheinlich, auf einen Minister zu treffen.«
»Aber Umberto solltest du treffen, er ist ein Bewunderer der Archäologie. Er hat einige Ausgrabungen finanziert, ich bin sicher, ihr habt viel gemein«, sagte Mary.
Sofia und Umberto D’Alaqua hatten sich an einen Tisch zu anderen Gästen gesetzt. D’Alaqua war sehr aufmerksam und Sofia glücklich. Marco hätte gern gewusst, worüber sie sprachen. Aber seine Intuition sagte ihm, dass er sich jetzt besser nicht dazugesellte.
Es ging schon auf ein Uhr zu, als Paola Marco daran erinnerte, dass sie morgen früh raus müsse. Um acht Uhr hatte sie die erste Lehrveranstaltung zu geben, und sie wollte nicht all zu müde dort erscheinen. Marco bat sie, Sofia Bescheid zu geben, dass sie gingen.
»Sofia, wir brechen auf, ich weiß nicht, ob du mit uns fahren willst …«
»Danke, Paola, ja, ich komme mit euch.«
Als sie in Begleitung von Lisa und John zur Tür gingen, schielte Sofia noch einmal kurz zur Terrasse. Umberto D’Alaqua unterhielt sich angeregt mit anderen Gästen; sie war enttäuscht.
Kaum waren sie im Auto, konnte Marco seine Neugier nicht mehr zügeln.
»Los, Dottoressa, nun erzähl schon, was dir der große Mann gesagt hat.«
»Nichts.«
»Wie bitte?«
»Nun, er hat mir nichts gesagt, außer, dass es sehr offensichtlich war, dass wir nur zu dem Fest gekommen sind, um ihn zu treffen. Er hat dafür gesorgt, dass ich mir ausgesprochen lächerlich vorkam. Und er hat mich ironisch gefragt, ob wir ihn verdächtigen, das Grabtuch zerstören zu wollen.«
»Sonst nichts?«
»Den Rest des Abends haben wir über die asiatische Grippe, Öl, Kunst, Literatur gesprochen.«
»Aber ihr schient euch beide sehr wohl zu fühlen«, sagte Paola.
»Ich ja, aber mehr ist da nicht.«
»Er auch«, beharrte Paola.
»Werdet ihr euch wiedersehen?«, fragte Marco.
»Nein, glaube ich nicht. Er war liebenswürdig, das war alles.«
» Touchée? «
»Wenn ich mich von meinen Gefühlen leiten ließe, würde ich ja sagen. Aber ich bin schließlich erwachsen, also hoffe ich, dass mein Verstand die Oberhand behält.«
»Also doch touchée « , sagte Marco lächelnd.
»Ihr würdet ein gutes Paar abgeben«, sagte Paola.
»Nett gemeint, aber ich will mich keinerlei Illusionen hingeben. Ein Mann wie Umberto D’Alaqua interessiert sich nicht für eine Frau wie mich. Wir haben nichts gemein.«
»Ihr habt sehr viel gemein. Mary hat uns erzählt, dass er ein Kunstliebhaber ist und an archäologischen Ausgrabungen teilnimmt, die er obendrein noch finanziert. Und du, falls du es nicht weißt, bist nicht nur intelligent und gebildet, sondern du siehst auch noch extrem gut aus, oder, Paola?«
»Klar, sogar Mary Stuart hat gesagt, sie hat noch nie erlebt, dass D’Alaqua einer Frau so zugetan war.«
»Lassen wir das Thema. Das Ergebnis war, dass er mir klar gemacht hat, dass wir uns auf dem Fest eingeschlichen haben. Bleibt nur zu hoffen, dass er sich nicht bei irgendeinem Minister beschwert.«
Es regnete heftig. Die sechs Männer auf den bequemen Sofas unterhielten sich angeregt.
Der Raum, eine Bibliothek mit knisterndem Kaminfeuer und mehreren Gemälden von holländischen Meistern,
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