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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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beugten die Anwesenden das Knie. Varro traute seinen Augen nicht. Hinter ihm, nach Rang, Wichtigkeit und Herkunft geordnet, kauerten Dutzende von Würdenträgern, vor ihm Senatoren, Statthalter und an vorderster Front die sogenannten ›Comes‹, Gefährten, die dem Kaiser treue Dienste geleistet hatten. Der Duft von Weihrauch hing in der Luft, und während er dem Beispiel der Umstehenden folgte, wurde dem Anwalt flau im Magen. Der Moment der Entscheidung war gekommen.

    *

    Kurz darauf, begleitet vom Fanfarenklängen, war es endlich so weit. Der Vorhang öffnete sich, und der Advocatus hielt den Atem an. Nur wenige Schritte von ihm entfernt saß der Kaiser, umgeben von sieben Standbildern, welche die Nischen der Apsis zierten. In der Mitte, unmittelbar hinter dem Thron, erhob sich der Sonnengott, einen Strahlenkranz auf dem Haupt, zu seiner Linken und rechts von ihm weitere Götterstandbilder, unter anderem Mars, Jupiter, Venus und Saturn. Im Schein der dreifüßigen Kandelaber, allesamt aus Bronze, sahen sie wie lebende Personen aus, und es schien, als ließen sie die Bittsteller nicht aus den Augen.
    Varros Aufregung wuchs. Am liebsten wäre er aufgesprungen, nach vorn geeilt und beim Kaiser vorstellig geworden. Um ihn vor der Gefahr, in der er schwebte, zu bewahren, war ihm jedes Mittel recht. Dann aber besann er sich. Zu viel stand auf dem Spiel, und es wäre fatal gewesen, sein Vorhaben zu gefährden.
    Ein Blick nach links, und Varros Einschätzung sollte sich bestätigen. Zur Rechten des Kaisers thronte seine Frau, eine Stufe tiefer zwar, aber nicht minder bedeutsam, was ihr Wirken hinter den Kulissen betraf. Sie war es, welche die Fäden zog, die den Stein aufgehoben hatte, den andere, so zum Beispiel Scorpio, für sie schleudern würden. Oder, präziser ausgedrückt, hätten schleudern sollen. Sie und ihr Kammerherr, der Mann direkt neben ihr, feist und aufgeschwemmt, aber eminent gefährlich.
    Und noch etwas fiel dem Anwalt auf. Von den Mitgliedern des Thronrates waren nur sechs erschienen. Ein Faktum, von dem außer ihm kaum jemand Notiz zu nehmen schien. Er selbst hatte den Oberhofmeister zwar nur einmal getroffen, aber was Gesichter betraf, funktionierte sein Gedächtnis bestens.
    Einzig der Kaiser, starr geradeaus blickend, bildete diesbezüglich eine Ausnahme. Um ihn wiederzuerkennen, musste Varro zweimal hinsehen. Der da auf dem Thron saß, aufrecht, steif und gebieterisch, war von den Statuen, die ihn umringten, kaum zu unterscheiden. Wo war der Mann geblieben, der ihm das Leben gerettet hatte, der Kamerad, mit dem er in Britannien durch dick und dünn gegangen war?
    Antwort: Er existierte nicht mehr. Der da saß, ein Diadem auf der Stirn und in Halbschuhe aus Seide und eine mit Edelsteinen besetzte Dalmatika samt Purpurmantel gehüllt, war ein anderer. Ein Fremder, dem er nie zuvor begegnet war.
    Und ein Mann, der es gewohnt war, dass man sich seinem Willen fügte.
    Â»Es lebe Konstantin, der gottesfürchtige, glückhafte, unbesiegbare Imperator, Cäsar und Augustus!«, deklamierte der Herold, so laut, dass es wie ein vielfältiges Echo von den Wänden widerhallte. »Vivat!«, antworteten die Anwesenden wie auf Kommando und von einer unsichtbaren Macht gelenkt. Und noch einmal: »Vivat Imperator!«
    Varro sah sich verstohlen um. Auf ein Zeichen des Zeremonienmeisters, der ihre Namen aufrief, trat ein Würdenträger nach dem anderen vor, näherte sich den Stufen, welche die Apsis von der Audienzhalle trennten, und warf sich im Angesicht der Majestät auf die Knie. Der Atem des Anwalts beschleunigte sich. Bis er an der Reihe war, würde eine Ewigkeit vergehen. Nicht zuletzt deswegen war guter Rat teuer, konnte er doch nicht sicher sein, ob die Verschwörung, an der Scorpio beteiligt war, mit dem Tod des Meuchelmörders im Sand verlaufen würde. Gut möglich, dass ein anderer in die Bresche springen oder diejenigen, welche mit dem Präfekten unter einer Decke steckten, die Sache in die Hand nehmen würden. Oder dass die Pläne zur Beseitigung des Kaisers geändert worden waren. Oder dass …
    Was immer geschah oder geschehen würde, er musste handeln.
    Jetzt gleich.
    Die Blicke der Anwesenden im Nacken, sprang der Anwalt auf, stieß mehrere Bittsteller beiseite und trat nach vorn. Ein Raunen ging durch den Saal, Rufe ertönten, hie und da sogar Schreie. Varro achtete nicht

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