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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Rundbogenfenstern, durch die bei Tag Licht ins Rauminnere flutete. Momentan, bei Nacht, war der Effekt auf den Betrachter allerdings noch größer. Selbst jetzt, da das Unwetter am Abklingen war, leuchteten immer wieder Blitze auf, wie Feuersäulen, welche zum nachtschwarzen Himmel aufstiegen. Von all dem, so auch vom Donnergrollen, welches über die Stadt hinwegbrandete, nahmen die Günstlinge, Hofbeamten und Gesandtschaften im Festtagsornat jedoch kaum Notiz. Sie alle, Varro mit eingeschlossen, verfolgten das gleiche Ziel: eine Audienz bei Flavius Valerius Constantinus, Imperator und Augustus.
    Das wiederum war nicht so einfach wie erhofft. Je höher im Rang, desto höher in der Gunst, je höher in der Gunst, desto größer das Ansehen, welches der Betreffende genoss. Varro runzelte die Stirn. Dies hier, die Eifersüchteleien zwischen Konsuln, Senatoren, Provinzstatthaltern und Hofschranzen, die Jagd nach Gunstbeweisen und kaiserlicher Huld, die Gier nach Titeln und Posten – dies hier war nicht seine Welt. Sie hatte mit dem, was sich vor den Toren des Palastbezirkes ereignete, nicht das Geringste zu tun. Draußen, dort, wo er gerade herkam, befand sich die Wirklichkeit. Hier, umrahmt von Kandelabern, Räucherbecken und Purpurbannern, entfaltete sich die Welt des Scheins, der Eitelkeiten und Ränke, eine Welt, für die Gaius Aurelius Varro nicht geschaffen war.
    Ein Faktum, welches dem Zeremonienmeister nicht entging. »Wenn ich dir einen Rat geben darf, Dekurio«, raunte er dem Anwalt zu, während er sich den Weg durch die Reihen der Würdenträger bahnte, »ein bisschen mehr Demut stünde dir gut zu Gesicht. Du weißt doch: Eine Gelegenheit wie diese kommt so schnell nicht wieder.«
    Da hast du recht!, pflichtete Varro seinem Begleiter, einem Orientalen in den Vierzigern, insgeheim bei, vermied es jedoch, seinen Unwillen laut zu äußern. Was zählte, war allein seine Mission, und die galt es, allen Hindernissen zum Trotz, zu erfüllen.
    Auf Biegen und Brechen, ohne Rücksicht auf sich oder andere.
    Â»Und nicht vergessen: Kniefall, Kuss und andächtiges Schweigen«, leierte der Zeremonienmeister, nur einer von zwei Dutzend Hofschranzen, die mit todernster Miene hin und her eilten. »Alles andere käme …«
    Â»Einem Sakrileg gleich, ich weiß!«, vollendete Varro, einmal mehr in Gefahr, sich den Mund zu verbrennen. Er hasste es, wenn sich gestandene Männer wie Sklaven aufführten, Bücklinge machten und wie geprügelte Hunde über den schwarz-weiß gemusterten Marmorboden schlichen. Er hasste ihre gestelzte Ausdrucksweise, wenn sie sich mit »Eure Exzellenz«, »Eure Lauterkeit« oder »Eure Gravität« anredeten, wenn sie sich an Vornehmheit zu übertrumpfen, an Prunk, Geschmeide und ausgefallener Gewandung zu überbieten suchten. Wo, in der Götter Namen, war nur das Rom der Ahnen geblieben, eine Zeit, in der Schlichtheit noch etwas zählte! Einen Scipio, Cato oder Cicero suchte man hier vergebens, ganz zu schweigen von einem Trajan oder Marc Aurel.
    Wo war die gute alte Zeit geblieben, wo nur, wo?
    Â»Und was nun?«
    Â»Was nun?«, fuhr ihn der Zeremonienmeister über die Schulter hinweg an, unterwegs zum Vorhang, der die Apsis vom Rest der Audienzhalle trennte. »Nun heißt es warten.«
    Â»Wie lang denn noch, verdammt!«
    Der Zeremonienmeister erbleichte. »Jetzt hör mir mal gut zu«, zischte er, beinahe zwei Köpfe kleiner als sein Gegenüber, das ihn mit mühsam unterdrücktem Groll musterte. »Noch so eine Blasphemie, und ich lasse dich des Saales verweisen. Dann ist es mir egal, ob du in Gunst stehst, einen Treuering trägst oder vorgibst, eine Nachricht von großer Wichtigkeit zu überbringen. Dann bist du erledigt, ist das klar?«
    Â»Jetzt hör du mir mal gut zu!«, hielt Varro dagegen, im Begriff, all seine Bemühungen zunichte zu machen. »Wenn du mich nicht sofort zum Kaiser bringst, kriegst du es mit …«
    Ein Geräusch, allem Anschein nach ein Hüsteln, brachte den Anwalt zum Verstummen. Der Vorhang, vor dem die Wartenden Aufstellung genommen hatten, hatte sich einen Spalt weit geöffnet, und während Varro nach Worten rang, tauchte ein Herold zwischen den golddurchwirkten Stoffbahnen auf. »Silentium!«, war alles, was er von sich gab, mehr wäre nicht nötig gewesen. Kaum war das Wort verhallt,

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