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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Die Schüsse trafen ihn nicht. Sie waren unsicher gezielt, denn der Schütze mußte das Gewehr mit einer Hand festhalten, weil die andere von der Handgranate verletzt war.
    Die nächsten drei Handgranaten töteten den einen der Engländer und rissen dem zweiten den linken Fuß ab. Sie waren direkt zwischen die Geröllbrocken gerollt und explodiert. Der Verletzte warf zwei kurze Automatgewehre aus der Deckung heraus und winkte mit einem Taschentuch. Es war ein hagerer, rötlichblonder Mann mit ordentlich gestutztem Schnurrbart. Er verzog vor Schmerz das Gesicht, als Timm hinter die Deckung trat. Timm nahm ihm die Pistole ab, aber sie war leer geschossen. Dann untersuchte er den Toten. Er nahm nur ein Päckchen Papiere, die er in der Brusttasche fand. Dann sah er auf die Uhr. Sie mußten sich beeilen, wenn sie vor Einbruch der Dunkelheit zum Stützpunkt zurückkommen wollten. Er besah sich den Fuß des Verletzten. Die Handgranate mußte wenige Zentimeter neben dem Fuß explodiert sein, denn der Fuß war dicht über dem Knöchel abgesplittert. Unter dem zusammengekrümmt daliegenden Soldaten bildete sich eine Blutlache. Der Mann hatte dicke Schweißtropfen auf der Stirn stehen, aber er sagte keinen Ton, er biß nur die Zähne in die Lippen.
    Von oben stieg Zado herunter. Er hatte eine Zigarette zwischen den Lippen hängen. Timm griff, ohne ein Wort zu sagen, nach den Papieren in der Brusttasche des Verwundeten. Der Mann sah ihn mit schmerzverkniffenem Gesicht an, aber er tat den Mund nicht auf.
    „Gib ihm eine Zigarette ...", sagte Zado, als er neben Timm stand, „er macht nicht mehr lange."
    Er brannte selbst eine seiner Zigaretten an und steckte sie dem Soldaten zwischen die Lippen. Der Mann zog ein paarmal daran, aber er war bereits zu schwach, die Zigarette zu halten. Sie fiel ihm aus dem Mund.
    Timm befahl seinen Leuten kurz: „Los, haut ab! Ich komme nach."
    „Willst du ihn allein schleppen?" erkundigte sich Zado. „Man könnte ihm den Fuß abbinden. Vielleicht..."
    „Haut ab!" sagte Timm noch einmal. Er hielt die eine Hand in der Hosentasche, wo er die beiden Handgranaten hatte. Die anderen entfernten sich langsam. Sie stolperten über das Geröll abwärts, und ihre Schritte verklangen.
    Als Timm nach dem Verbandpäckchen griff, leuchtete es in den Augen des Verwundeten schwach auf. Timm erhob sich und ging mit dem Verbandpäckchen hinter den großen Steinbrocken. Er nestelte an der Verschnürung herum, aber er öffnete es nicht. Hinter dem Stein konnte der Engländer ihn nicht mehr sehen. Er zog die eine Handgranate aus der Tasche und schraubte die blaue Kapsel ab. Es war eine von den gekerbten Eierhandgranaten. Timm zog langsam den Zünder ab und zählte. Dann drehte er sich um und warf dem Engländer die Handgranate auf die Brust. Während er sich hinter den Stein duckte, explodierte die Granate. Timm schüttelte den Kopf und öffnete ein paarmal den Mund, um den Druck auf den Trommelfellen loszuwerden. Dann ging er hinter den Stein, warf noch einen Blick auf die beiden Toten und folgte seinen Leuten den Hang abwärts. Er holte sie auf halbem Wege ein. Sie sagten nichts. Nur Zado erkundigte sich: „Hätten wir ihn nicht lieber mitnehmen sollen?"
    Nach ein paar Sekunden, während sie schweigend nebeneinanderher gingen, fragte Timm: „Hättest du ihn tragen wollen?"
    Zado schwieg.
    „Hätte ihn irgendeiner von euch tragen wollen?" fragte Timm die anderen. Als keine Antwort kam, sagte er langsam: „Die beiden werden bis morgen mittag ganz schön stinken." Mehr sagte er nicht.
    Sie stiegen abwärts und ließen in den Tank des Motorrades eine Handgranate fallen. Sie kehrten zum Stützpunkt zurück wie eine Gruppe von Jägern, die gute Beute gemacht haben.
    „Himmel, ist das ein Krieg!" lachte Timm, wenn sie durch die Berge streiften. Manchmal sahen sie in den Dörfern ein Mädchen. Dann wurden ihre Augen groß.
    Aber die Mädchen in den Dörfern waren spröde wie dünnes Glas. Sie sahen mit ausdruckslosen Gesichtern den Soldaten nach und sprachen kein Wort.
    „Dieses Pack ist stolz", stellte Timm erbost fest, „warte, nach einem Vierteljahr werden sie wissen, wer ihr neuer Herr ist. Dann werden sie um ein halbes Kommißbrot betteln kommen."
    Die Mädchen kamen nicht. Aber Timm bekam Urlaub.
    Die Gespräche in der Kneipe an der Straßenecke. Sie kannten ihn dort noch aus der Zeit, in der er einmal mitgeholfen hatte, den Saalbau gegenüber auszuräumen, in dem eine sozialdemokratische Versammlung

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