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Die Stunde Der Vampire

Die Stunde Der Vampire

Titel: Die Stunde Der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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immer tiefere Grube, Monkey Boy!«

    Â»Kitty, vielleicht nicht ganz so viel Geschrei«, sagte Stockton.
    Das bereitete der Schmährede erst einmal ein jähes Ende. Ich atmete schwer, als hätte ich gerade mit jemandem gekämpft. Duke und ich starrten einander durch die Scheibe an. Ja, klar, er konnte den harten Kerl spielen, solange ich hier drinnen eingesperrt war. Aber wenn sie ihn zu mir stecken würden …
    Ich ächzte auf, als mich eine Schmerzwelle durchlief, und duckte mich, um meine verzerrten Gesichtszüge zu verbergen. Zu spät. Mir blieb keine Zeit mehr. Schmerzen überzogen brennend meine Nervenbahnen, liefen meine Glieder hinab. Ich konnte jede einzelne Pore meines Körpers spüren. In wenigen Augenblicken würde Fell hervorsprießen.
    Â»Sie beide, verschwinden Sie von der Scheibe«, sagte ich mit tiefer, krächzender Stimme. Überrascht taten sie es. Ich musste mich nur noch eine Minute lang beherrschen.
    Ich richtete mich auf und blickte in die Kamera.
    Â»Von sämtlichen Schriftstellern, die ich gelesen habe, bekommt Jack London meine Stimme für den wahrscheinlichsten Werwolfkandidaten. Selbst wenn er keiner gewesen ist, hat er viel Zeit damit verbracht, über die Grenzlinie zwischen Menschen und Tieren, Zivilisation und Wildnis zu schreiben – dass diese Linie gewöhnlich nicht viel mehr als haarbreit ist, und wie schnell sie verwischt. Diesen verschwommenen Bereich hat er besser als jeder andere verstanden. Das Dasein als Werwolf hat viel damit zu tun: in diesem verschwommenen Bereich zu leben und zu lernen, die beiden Seiten miteinander zu versöhnen.
Außerdem lernt man, dass jemand nicht wie ein Monster aussehen muss, um eines zu sein. Ich bin Kitty Norville, Stimme der Nacht. Wenn euch nur eine Sache aus dieser Übertragung in Erinnerung bleiben sollte, dann erinnert euch bitte an meine Stimme. Ich werde sie gleich nicht mehr besitzen.«
    Als ich mich zum ersten Mal in meinem Leben verwandelt hatte, hatte T.J. mich in den Armen gehalten. Ich stellte mir jetzt seine Arme um mich vor, seine Stimme. Du schaffst das schon, du schaffst das …
    Die Verwandlung ereilte mich, schnell und brutal. Eine Flutwelle, die den Damm niederriss. Meine Strafe, weil ich es zu lange unterdrückt hatte. Ich krümmte mich, versuchte mir das T-Shirt vom Leib zu reißen. Ich konnte nicht anders: Ich schrie, und mir wurde schwarz vor Augen.
    Hass und Angst. Und sie konnte nur zusehen.
    Am nächsten Tag sah ich mir die Aufnahme der Sendung an, die Stocktons Kamerateam übertragen hatte. Der Nachrichtensender hatte das Video mit allem möglichen grafischen Schnickschnack umrahmt, »Sonderbericht!«- und »Live!«-Logos und dergleichen. Irgendwie ließ das die ganze Sache billiger wirken. Während ich mich verwandelte, riss ich mir das T-Shirt herunter – in Vollmondnächten trug ich keinen BH – und wand mich halb aus meiner Jeans und meiner Unterhose. Halb nackt fiel ich, mich windend, auf die Seite, während mir gelbbraunes Fell den Rücken entlangwuchs. Meine Glieder schmolzen und bildeten sich
neu, mein Gesicht verzog sich – ich hatte schon gesehen, wie das anderen passierte, ich hatte es schon oft am eigenen Leib gespürt. Doch es war merkwürdig, mir selbst dabei zuzusehen, als passe das, was ich vor mir sah, nicht zu den Gefühlen, die ich kannte. Die Veränderung wirkte fließend, eine Form ging übergangslos in die nächste über im Laufe einer Verwandlung, die von der Körpermitte nach außen lief. Gefühlt hatte ich hingegen ein Reißen: Meine menschliche Gestalt wurde in Stücke gerissen, damit sich die Wölfin einen Weg aus ihrem Käfig bahnen konnte.
    Ein paar Sekunden später lag eine gewaltige ausgewachsene Wölfin auf dem Zellenboden und schüttelte die Hinterläufe, um die Jeans abzustreifen, die immer noch halb hochgezogen war. Sie war sandfarben, doch die Ohren waren mit dunklerem Fell besetzt, das sich ihren Rücken hinunterzog und auch an ihrer Schwanzspitze wuchs. An ihrer Brust und der Unterseite ihres Körpers war das Fell hell, cremefarben. Sie war geschmeidig, wachsam, ihre Augen leuchteten in hellem Bernstein.
    Sie war wunderschön. Sie – das war ich.
    Sofort fing sie zu laufen an. Eingesperrt und verängstigt suchte sie nach einem Ausweg, indem sie an der Scheibe entlanglief, vor der silbern gestrichenen Wand herumwirbelte, immer

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