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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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ist einfach zuviel! Ich bin ein verheirateter Mann mit drei Kindern. Meine Frau erwartet das vierte. Ich habe meinen Beruf, den ich behalten muß, und meine Ehre, die ich nur zu freudig verlieren würde. Und ausgerechnet ich muß solchen Versuchungen ausgesetzt werden!«
    »Ich habe Durst«, sagte Ashley.
    »Sofort, Signore!« Roberto wußte, wann ein Scherz zu Ende war. Er hob die Klappe zur Bar und brachte Ashley seinen Martini auf einem kleinen silbernen Tablett. Er wischte den Tisch ab, stellte den Martini sorgfältig auf einen Untersatz und wartete.
    »Das macht?«
    »Sechshundert Lire, Signore.«
    Ashley sah ihn scharf an.
    »Sechshundert? Heute Mittag waren es noch vierhundertfünfzig.«
    »Ein Irrtum, Signore«, sagte Roberto schlicht. »Ich wollte natürlich vierhundertfünfzig sagen.«
    »Sie sind ein Schwindler, Roberto.«
    Roberto hob die Schultern und lächelte.
    »Ich muß gestehen, Signore, ich bin ein sehr großer Schwindler.«
    »Warum beschwindeln Sie mich? Ich gebe Ihnen doch gute Trinkgelder?«
    »Sehr wohl, Signore.«
    »Also – warum beschwindeln Sie mich dann?«
    »Macht der Gewohnheit, Signore.«
    »Eine schlechte Gewohnheit, Roberto.«
    »Lassen Sie es uns eine Berufskrankheit nennen.« Roberto musterte Ashley kritisch. »Schwindeln Sie niemals, Signore?«
    Die Frage überraschte ihn. Roberto lächelte noch immer, aber es war ein anderer Ton in seiner Stimme und ein seltsamer, gehetzter Ausdruck in seinen Augen. Es war, als wollte er sagen: Wir sollten uns doch verstehen, Sie und ich. Wir haben doch schließlich gleiche Interessen und könnten einander nützlich sein.
    Ashley antwortete mit einiger Vorsicht.
    »Zugegeben, ich schwindle auch manchmal, aber ohne jemand dabei übers Ohr zu hauen.«
    »Weil Sie sich finanziell keine Sorgen zu machen brauchen. Ich dagegen muß das dauernd. Jeder von uns schwindelt da, wo es für ihn wichtig ist.«
    Damit war das Spiel eröffnet. In echt neapolitanischer Manier. Mit Lächeln und Drumherum-Gerede. Roberto hatte ihm etwas zu sagen, doch war er nicht gesonnen, das ohne Bezahlung zu tun. Jetzt war Ashley am Zuge.
    »Was glauben Sie, ist für mich wichtig, Roberto?«
    Roberto legte den Kopf auf die Seite.
    »Das Telegramm, das Sie erwarten, zum Beispiel. Der Inhalt dieses Hefters«, er deutete darauf, »und der Mann, der heute um vier Uhr dreißig herkommen soll.«
    Ashley erschrak, als hätte man ihm einen Eimer Wasser ins Gesicht gegossen. Er beugte sich so rasch vor, daß beinahe das Glas auf dem Tisch umkippte. Doch beherrschte er sich schnell und lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück. Er musterte Roberto, dessen dunkle Augen ausdruckslos waren. Ausdruckslos wie die eines Vogels. Die nächste Frage formulierte Ashley mit großer Sorgfalt.
    »Der Hefter, das verstehe ich – Sie haben mich daran arbeiten sehen. Das Telegramm – ich habe es selbst erwähnt. Aber das dritte – der Besucher, den ich erwarte. Wieso wissen Sie von ihm?«
    »Der Martini«, sagte Roberto bedeutungsvoll. »Signore haben den Martini noch nicht bezahlt.«
    Ashley zog seine Brieftasche und legte eine Fünftausend-Lire-Note auf das Tablett. Robertos Augen leuchteten. Er nahm den Schein, faltete ihn langsam und steckte ihn in die Tasche.
    »Es handelt sich um eine Nachricht, Signore«, sagte er leise. »Der Mann, der Sie besuchen wird, ist ein Lügner und Betrüger. Sie sollten nehmen, was er Ihnen bringt, aber ihm im übrigen nicht über den Weg trauen.«
    »Sonst noch was?«
    »Weiter nichts«, antwortete der Italiener, nahm das Tablett und ging zur Bar. In seinen Stuhl zurückgelegt, beobachtete ihn Ashley. Er sagte kein Wort und stellte auch keine weiteren Fragen. Er wußte, daß er diesem Burschen kein weiteres Wort würde entlocken können.
    Der Journalist war nicht weiter beunruhigt. Er hatte sich zu lange und zu ausführlich mit dieser Untersuchung befasst, um nicht zu wissen, daß gewisse Leute von Klatsch und theatralischen Intrigen leben. Die ganze Zeit hatten ihn Kontaktleute und Hausierer mit nutzlosen Informationen förmlich belagert. Sie pflegten sich auf ihn zu stürzen, wo immer sie ihn trafen: in Bars, Presseklubs und Hotelhallen. Sie kamen auf Empfehlungen von Freunden oder einfach, weil sie gehört hatten, daß der Scrittore Americano – der amerikanische Reporter – gutes Geld für Informationen zahlte. Sie pflegten umständlich und vage von finsteren Machenschaften und gefährlichen Einflüssen zu reden und unfehlbar mit einer Bitte um

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