Die Stunde des Löwen
Selma. Und später gab es wohl auch noch Ãrger wegen dem Erbe. Geld war aus erster Ehe einiges da. Und Milan hat wohl nur den Pflichtteil zugesprochen bekommen.«
»Wissen Sie, woran die leibliche Mutter gestorben ist?«
Magdalena Eisner verneinte.
»Wie sah es mit den persönlichen Kontakten von Selma Tassen aus? Hatte sie einen groÃen Bekannten- und Freundeskreis?«
Lächelnd schüttelte Magdalena Eisner den Kopf. »Nein, nur mich und Simon Patenstein.«
»Simon Patenstein?«
»Ja, ihr glühender Verehrer. Ein gepflegter jüdischer Herr mit ausgezeichneten Manieren, der ihr regelmäÃig Baccararosen schenkte.«
*Â *Â *
Als Fremden die Wagentür öffnete, hätte er beinahe das auf der Windschutzscheibe klebende Dönerpapier übersehen. Mit seinen Fingerspitzen klaubte er die joghurtsoÃenbesudelte Tüte auf. Dabei wurde er das Gefühl nicht los, dass er von einem Fenster des Bestattungsunternehmens aus beobachtet wurde.
Nur um Haaresbreite war er der Entlarvung entgangen. Dass sein lieber Onkel früher schon für Bruckner senior gearbeitet hatte, lieà den Auftrag natürlich in einem völlig anderen Licht erscheinen. Vielleicht existierte sogar ein Zusammenhang zwischen den damaligen Ermittlungen und dem tödlichen Sturz in den See.
Während er den Peugeot über die Untermainbrücke in Richtung Sachsenhausen steuerte, überlegte er, was ihm der Besuch im Bestattungsunternehmen an neuen Erkenntnissen gebracht hatte. Sein Resümee fiel mager aus. Weder hatte er von Klaus Bruckner noch anschlieÃend von dessen Büroleiter etwas erfahren, was ihn in den Ermittlungen weiterzubringen versprach. Lediglich zwei Personen waren ihm genannt worden, mit denen zu sprechen sich unter Umständen lohnen könnte: eine gewisse Frau Roschinski, die damalige Haushälterin, die jeden Morgen in die Villa der Bruckners gekommen war, zwischenzeitlich aber geheiratet hatte und mit nicht bekannter Adresse ins Ausland gezogen war. Und die ehemalige Sekretärin des Verstorbenen, die Klaus Bruckner erst übernommen, der er dann aber gekündigt hatte. Als Fremden die Frau, die auf den klangvollen Namen Liliana Bode hörte, vom Bestattungsunternehmen aus angerufen hatte, war sie sofort bereit gewesen, ihm über ihren ehemaligen Chef Auskunft zu erteilen. Wenn es gleich sein solle, müsse er jedoch ins »King of Asia« kommen, wo sie mittlerweile arbeite.
Das im Herzen Sachsenhausens ansässige Spezialitätenrestaurant war Fremden durchaus ein Begriff, da er dorthin schon den einen oder anderen Fahrgast chauffiert hatte. Als er gegen elf Uhr im »King of Asia« eintraf, waren die Pforten für das Publikum noch nicht geöffnet. Hinter der lang gezogenen Bar schrieb ein in einen Sarong gehüllter Thailänder mit Kreide das Tagesgericht auf eine Tafel. Fremden lieà seinen Blick durch den Gastraum schweifen, der durch eine auffallend helle und moderne Einrichtung bestach. Ãber cremefarbenen und schilfgrün lackierten Tischen hingen kugelförmige Papierlampen mit asiatischen Schriftzeichen.
Liliana Bode, eine attraktive Endzwanzigerin, erwartete ihn an einem der Fenstertische. Ihre roten zu einem Dutt drapierten Haare leuchteten im einfallenden Sonnenlicht. Auch sie trug einen bunten Sarong, der perfekt mit den Farben ihrer Bluse harmonierte. Das Einzige, was die Ãsthetik ihres Anblicks ein wenig störte, war die im DIN - A3 -Format hinter ihr an der Wand hängende gerahmte Fotografie, die einen kräftigen schwarzen Käfer zeigte, der auf einem Stein hockte.
»Ein Zophobas«, erklärte Liliana Bode, die Fremdens skeptischen Blick bemerkt haben musste. »In Kokosmilch zubereitet eine Köstlichkeit. Falls es Sie interessiert, schauen Sie doch mal in unsere Karte.« Sie reichte ihm ein Exemplar, auf dessen Einband das Panorama eines saftig grünen Regenwalds abgebildet war. »AuÃer den Zophobas kann ich noch die Ameisensuppe, den Junikäfersalat, den Zikadenspieà und natürlich auch die Grillen mit Reisnudeln wärmstens empfehlen.«
Fremden blätterte kurz durch das Menü, dann legte er die Karte beiseite.
»Vor einigen Jahren waren Sie bei Pietät Bruckner als Sekretärin tätig. Wie kam es zum Wechsel in die Gastronomie?«
»Klaus Bruckner hat mir gekündigt«, antwortete Liliana Bode und fuhr mit der Zeigefingerspitze über einen kleinen
Weitere Kostenlose Bücher