Die Stunde des Löwen
Rosen fiel das Henkersmahl deutlich bescheidener aus als bei Selma Tassen. Anstelle von Kaviar und Champagner bestand es bei ihr nur aus Bier und einer ordentlichen Portion Hackfleisch.«
NEUN
Drei volle Tage hatte es gedauert, bis er wieder auf dem Damm war. Den GroÃteil der Zeit hatte er mit fiebrigem Kopf und Gliederschmerzen im Bett verbracht. Nur ein einziges Mal hatte er sich aufgerafft und sich zum Supermarkt geschleppt. Das Nötigste in den Einkaufswagen geladen und sich dabei ausgemalt, wie Liliana Bode mit ihrem Freund Raoul in den Wirtshäusern rund um den Viktualienmarkt saÃ, verliebte Blicke tauschte und WeiÃwürste zuzelte. Zum Glück war das aber die einzige peinigende Phantasie, in der zu suhlen er sich erlaubt hatte. Im GroÃen und Ganzen gelang es ihm ganz gut, seine rothaarige Traumfee aus seinen Gedanken zu verbannen.
Jetzt, am Montag, an Tag vier nach dem Ãberfall, fühlte er sich endlich wieder fit genug, die ersten Schritte in Sachen Rosen zu unternehmen. Wobei er sich noch nicht ganz im Klaren war, wie er dabei vorgehen sollte. Den in seinen feinen Nadelstreifenanzug gewandeten Geschäftsmann direkt mit dem Vorwurf zu konfrontieren, dass er ihm die beiden Typen auf den Hals gehetzt hatte, machte wenig Sinn. Ein Leichtes für Rosen, dies empört abzustreiten.
Um kurz nach zwölf parkte Fremden in der Freiherr-vom-Stein-StraÃe hinter einem Lieferwagen. Immer noch unschlüssig, mit welcher Taktik er Rosen begegnen sollte, blieb er hinter dem Steuer sitzen und beobachtete die Mitarbeiter eines privaten Räumdienstes, die den Gehweg vom Schnee befreiten. Zwei der Männer rauchten, ein Dritter pfiff die Melodie eines Achtziger-Jahre-Hits.
Durch die allmählich beschlagende Frontscheibe lieà Fremden den Blick über die mit Stilelementen verzierte Fassade der Gründerzeitvilla wandern. Auffällig war, dass bei der Konzertagentur im Erdgeschoss kein Licht brannte. Dafür waren die privaten Räumlichkeiten im ersten Stock beleuchtet. Hin und wieder huschte hinter den Fenstern schemenhaft eine Gestalt vorbei. Nachdem er das sich auf den Vorhängen bietende Schattenspiel einige Minuten lang beobachtet hatte, wurde es im Innern der Villa plötzlich dunkel. Kurz darauf öffnete sich die schwere Eingangstür aus Eichenholz. Edgar Rosen war der Erste, der ins Freie trat. Eine Atemwolke stand vor seinem Gesicht. Unter seinem offen stehenden Wintermantel lugten ein schwarzer Anzug, ein weiÃes Hemd und eine schwarze Krawatte hervor. In gebückter Haltung, die rechte Hand auf die Schulter einer blonden Frau abgestützt, bewegte er sich schleppenden Schritts auf das Eingangstor zu. Im Anschluss an das Paar verlieÃen noch vier weitere dunkel gekleidete Personen das Haus.
*Â *Â *
Das Kinn in beide Hände gestützt, starrte Born aus dem Fenster. Auf der Adickesallee kämpfte sich der Verkehr nur mühsam durch den einsetzenden Schneefall. Ihm war immer noch ein bisschen mulmig zumute, wenn er an den Hammer dachte, den er sich am Samstag geleistet hatte. Dass er nach dem dritten Bier einfach das Handy ausgeschaltet hatte. Obwohl er Mannfeld hoch und heilig versprochen hatte, ständig erreichbar zu sein und sofort nach Frankfurt zurückzueilen, wenn es irgendwie brannte. Nur unter der Prämisse hatte sie eingewilligt, für ihn, den kommissarischen Ermittlungsleiter und Verantwortlichen, die Stellung zu halten.
»Na, das Auto noch rechtzeitig fit bekommen?«
Murmelnd, dass er eine neue Batterie eingebaut habe, beobachtete er, wie Mannfeld ihren Mantel an den Türhaken hängte.
Nachdem sie an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte, erkundigte er sich, ob sich am Wochenende etwas Wichtiges ereignet hatte.
»Nichts von Bedeutung. Sonst hätte ich mich schon bei dir gemeldet.« Mannfeld strich sich mit der rechten Hand durch ihre braune Lockenpracht. »Einige Zeit habe ich investiert, um die Bankkonten der Opfer zu überprüfen. Die 1822 und die Deutsche Bank haben uns die Daten noch am Samstag zur Verfügung gestellt. Gleich nachdem der richterliche Beschluss dazu vorlag.«
»Und?«
»Nichts Auffälliges. Keine Bewegungen, die einen Rückschluss auf Täter oder Motiv zulassen. Barabhebungen, Rente, Miete, Gas und so weiter.«
»War auf Selma Tassens Konto die Ãbernachtung im Sheraton belastet?«
»Nein. Ich habe deswegen auch noch mal mit dem Portier Rastafan Piu
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