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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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Mordopfer wohl auf Lager gehabt hatte.
    Auf der Startseite des sozialen Netzwerks tippte er ihren Vor- und Nachnamen ins Suchfeld und drückte die Return-Taste. Als daraufhin tatsächlich Martha Rosens Profilbild auf dem Monitor erschien, hätte er vor Überraschung beinahe den Schluck Bier auf die Tastatur gespuckt, den er gerade im Mund hatte.
    Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung, nicht sofort zum Hörer zu greifen und Mannfeld anzurufen. Bevor er ihr seinen kleinen Triumph verkündete, wollte er sich aber erst noch das Profil genauer ansehen, das Martha Rosen von sich erstellt hatte. »Wohnt in Frankfurt, verheiratet, Schule Dalberg Gymnasium Aschaffenburg«. Bei der Angabe ihres Geburtsdatums hatte sie um zehn Jahre geschummelt. Erstaunlich, dass sie lediglich mit fünf Freunden vernetzt war. Auf das Verfassen eigener Pinnwandeinträge hatte sie weitgehend verzichtet. Und in der Rubrik »Gefällt mir« verwies sie ausschließlich auf Seiten mit okkulten Inhalten.
    Nachdem er kräftig aufgestoßen und mit der Hand die seinem Mund entwichene Knoblauch-, Zwiebel- und Bierwolke fortgewedelt hatte, widmete er sich den Facebook-Seiten von Martha Rosens Freunden. Vier waren Frauen, die den Profilbildern nach zu urteilen alle in die Grufti-Richtung tendierten. Bei einer handelte es sich zweifellos um Endura respektive die im Schuhladen arbeitende Nichte Ruth. Der noch verbleibende Kontakt nannte sich »hotcracker«. Als Profilbild hatte er oder sie ein Peace-Symbol hochgeladen. Auf persönliche Angaben wie Wohnort, Ausbildung und Geburtsdatum verzichtete »hotcracker«.
    Ein Nickname oder Cyberpseudonym, dachte Born und kratzte sich an der Schläfe. Jemand, der es vorzog, seine Identität hinter einer Maske zu verbergen. Wie er solche Typen liebte! Genervt klickte er auf den Link zur Pinnwand. Was aktuelle Themen anging, zeigte sich »hotcracker« allerdings mitteilungsbedürftig. Fast täglich postete er seinen Senf zum Weltgeschehen für seine wenigen über den Globus verstreuten Facebook-Freunde. Beklagte den schon etwas länger zurückliegenden tragischen Tod von Amy Winehouse, teilte Links zu Zeitungsartikeln über die Euro-Krise und lästerte in spitzen Worten über die peinliche Selbstdemontage des zurückgetretenen Bundespräsidenten. Der jüngste Eintrag war noch nicht einmal eine Stunde alt. Doch im Vergleich zu den vorangegangenen war dieser hier von erstaunlich persönlicher, aber auch kryptischer Natur. Darin sang »hotcracker« eine Art Hohelied auf Prostituierte. Kurioserweise auf solche moldawischer Herkunft, da deren Vorzug darin bestehe, kein Wort von den Beichten ihrer Freier zu verstehen.

ACHT
    Die Lagebesprechung am Samstag war auf entspannte zehn Uhr morgens angesetzt. Vorne am Pult stopfte sich Born bereits das dritte Pfefferminzbonbon in den Mund. Tat er es aus Nervosität, weil er in Vertretung des Chefs auch die zweite Sitzung der Ermittlungsgruppe leiten musste oder weil er gestern Unmengen Knoblauch gefuttert und Angst hatte, dass man seinen schlechten Atem bis an die Tische riechen könnte? Auf sein Räuspern hin trat Ruhe ein. Mit leicht kratziger Stimme bat er Schwertfeger, zu berichten, was dieser in puncto ähnlich gelagerter Mordfälle herausgefunden hatte.
    Â»In den letzten Wochen und Monaten sind bundesweit einige ältere Frauen getötet worden. Parallelen zu unseren beiden Morden konnte ich allerdings in keinem Fall feststellen.«
    Â»Weil?«, hakte Born nach.
    Â»Weil es sich ausschließlich um Beziehungstaten handelte. Und bis auf einen Täter hat man alle gefasst. Der noch Flüchtige ist ein Mann aus Hannover, der seine Frau erstochen und sich nach Südamerika abgesetzt hat.«
    Nach Schwertfegers knappem Skizzieren der Lage berichteten die zu den Nachbarn der ermordeten Frauen ausgeströmten Zweierteams. Fazit: Keiner der Befragten hatte das jeweils nicht in seiner Nachbarschaft wohnende Opfer auf den Fotos erkannt. Jones und Schilling hatten lediglich mit Magdalena Eisner und den in den Etagen über und unter Selma Tassen wohnenden Mietern sprechen können. Simon Patenstein hatten sie weder in seinem Ladengeschäft noch bei sich zu Hause angetroffen. Demnach blieb also ungewiss, ob er Martha Rosen gekannt hatte und ob über ihn die Handynummer von Selma Tassen in Erfahrung zu bringen war.
    Als Nächstes sollte Sven Niemann die Ergebnisse seiner

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