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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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telefoniert. Er hat mir gesagt, Selma Tassen habe bar zahlen wollen und die Zimmerrechnung sei noch offen.«
    Â»Apropos telefoniert. Hast du mittlerweile Patenstein erreicht?«
    Â»Allerdings. Der Arme lag mit Grippe im Bett. Deshalb hat er Jones und Schilling nicht aufgemacht und ist auch nicht ans Telefon gegangen.«
    Â»Du sagst so schön ›der Arme‹. Und was, wenn sich herausstellt, dass Patenstein der Täter ist?«
    Mannfeld stieß ein leises Lachen aus. »Das ist er nicht, Ludger. Er hat Martha Rosen nicht einmal gekannt. Und das nehm ich ihm ab. Am Samstag, auf dem Heimweg, habe ich noch kurz bei ihm vorbeigeschaut. Und ihm das Foto von der Rosen gezeigt.«
    Â»Mit anderen Worten: Wir sind so schlau wie vor dem Wochenende. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die Bevölkerung um Mithilfe zu bitten.«
    Â»Ich weiß nicht so recht«, wandte Mannfeld ein und griff nach einem Post-it, das an ihrem Telefon haftete. »Heute um zwei findet auf dem Hauptfriedhof die Beerdigung von Martha Rosen statt. Die würde ich gern noch abwarten. Wäre gut, wenn wir uns dort mal umsehen.«
    Â»Was? Die Beerdigung findet schon heute statt?«
    Â»Ja. Rosen wollte den schweren Gang wohl so schnell wie möglich hinter sich bringen und hat das nach der Freigabe der Leiche am Freitagabend anscheinend umgehend veranlasst.«
    Â»Und du willst hingehen, weil er dort auftauchen könnte, unser kranker Killer?«
    Â»Du weißt so gut wie ich, dass es nicht das erste Mal wäre, dass so was geschieht. Außerdem ist Milan Tassen gestern aus dem Koma geholt worden. Heute Abend können wir ihm ein paar Fragen stellen. Vielleicht kennt er Martha Rosen. Erst wenn wir danach immer noch im Dunkeln tappen, würde ich die Presse einschalten.«
    Â»Na denn.« Er erhob sich vom Stuhl, um sich eine Flasche Wasser zu holen. Als er auf halbem Weg zur Tür war, erkundigte sich Mannfeld, wie ihm das Klassentreffen gefallen hatte.
    Â»So lala.« Er drehte sich zu ihr um. »Und danke, dass du für mich hier so tapfer die Stellung gehalten hast.«
    Â»So lala? Hört sich nicht gerade an, als ob ihr euch vor Wiedersehensfreude um den Hals gefallen seid.«
    Phasenweise hatte er das schon getan. Aber nicht aus Wiedersehensfreude. Doch er konnte Mannfeld gegenüber schlecht zugeben, dass Manu sein Um-den-Hals-Fallen als den plumpen Anmachversuch gewertet hatte, der es gewesen war. Und dass er zu fortgeschrittener Stunde beinahe auch noch einen Eklat ausgelöst hätte, weil er ihr – befeuert von einigen alkoholischen Getränken – irgendetwas Schweinisches ins Ohr geraunt hatte.
    Â»Na, es war so, wie es immer auf Klassentreffen ist. Alte Schoten werden hochgekocht. Wer damals mit wem und so weiter. Eine andere Story kommt bei solchen Gelegenheiten auch regelmäßig aufs Tapet: die Sache mit Felix. Ein Junge aus unserer Klasse, der auf dem Nachhauseweg spurlos verschwand und bis heute nicht wieder aufgetaucht ist. Sein Bruder hätte ihn begleiten sollen, doch der vergnügte sich lieber auf der Wiese mit seiner Schnalle. Wochenlang hat die Polizei die Umgebung nach Felix abgesucht und Zeugen befragt. Ohne Erfolg. Felix’ Bruder hat sich eine Menge Vorwürfe anhören müssen. Kaum dass er achtzehn war, zog er fort. Hat es im Ort wohl nicht mehr ausgehalten. Doch am Samstag wurde gemunkelt, dass das Arschloch wieder im Lande ist.«
    * * *
    Knapp eine Stunde lang hatte Fremden in der Kälte ausharren müssen, bis sich die Pforten der Trauerhalle öffneten. Zuvor war er dem Mercedes-Transporter, in dem Rosen nach Verlassen der Gründerzeitvilla mit seinen Begleitern Platz genommen hatte, durch das Einbahnstraßengewirr des Westends gefolgt. Im Reuterweg hatte der Wagen vor einem Blumenladen gehalten. Als der Fahrer zurückgekehrt war, hatte er einen unverpackten Strauß weißer Rosen in der Hand gehalten. Der Transporter hatte gewendet und war in Richtung Alleenring gesteuert. Da hatte er geahnt, wohin es gehen sollte. Und tatsächlich – am Neuen Portal des Frankfurter Hauptfriedhofs hatte die Fahrt ihr Ende gefunden.
    Hinter einem mit weißen Lilien geschmückten Eichensarg trat eine etwa sechzigköpfige Trauergesellschaft auf den Vorplatz. Angeführt von einem Pfarrer und zwei Messdienern, bewegte sich die Prozession durch den immer dichter werdenden Schneefall ins Zentrum des Friedhofs. Fremden folgte in

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