Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
Fensterscheibe, um in den dunklen Salon zu spähen. Nichts. Im Wohnzimmer dasselbe. Es gab keine Möglichkeit, um das Haus herumzugehen.
»Und was jetzt?«, fragte Jackie.
»Wir könnten ja einfach klingeln.« Logan drückte auf den Knopf, und aus den Tiefen des Hauses ertönte das vertraute Biiiiiing-bonnnnnng . Und dann warteten sie. Und warteten und warteten und – Logan klingelte noch einmal. Ihr Auto stand in der Einfahrt – sie mussten zu Hause sein; es war halb vier Uhr morgens!
Jackie spähte durch den Briefschlitz. »Ist wie ein Friedhof da drin.«
»Meine ich das nur«, fragte Logan, »oder kriegst du allmählich auch ein ungutes Gefühl bei der Sache?«
»Vielleicht sind sie beide total weggetreten? Du hast doch gesagt, Doc MacAlister hätte sich mit Whisky zugeschüttet, als du bei ihr warst – und Miller dürfte mit Schmerztabletten vollgepumpt sein …«
Logan trat zurück und blickte zu dem dunklen Haus auf. »Was ist das Schlimmste, das passieren kann, wenn wir da reingehen und gar nichts ist?«
»Dass du wegen Einbruchs verknackt wirst.«
»Nicht, wenn wir einen Schlüssel haben …« Er hob den kleinen Topf mit Stiefmütterchen neben der Haustür an und tastete im Dunkeln den Boden darunter ab, fand aber nur feuchte Erde und einen Regenwurm. Er versuchte es auf der anderen Seite. Nichts. »Mist, sie hatte doch immer einen Ersatzschlüssel hier draußen.«
»Unter einem Blumentopf neben der Tür? Warum nicht gleich ein großes Schild im Garten aufstellen, auf dem steht: Ich bin doof, bitte raubt mich aus? «
»Hast du eine Taschenlampe dabei?« Jackie hatte eine – sie trug schließlich noch ihre mit Schweiß und Blut getränkte Uniform, die neben dem Rauchgestank aus dem brennenden Gebäude noch einen leisen Benzingeruch ausströmte. Sie wollte ihm gerade die Lampe reichen, als in der Diele das Licht eingeschaltet wurde, dessen heller Schein durch die Glasscheiben links und rechts der Tür fiel.
»Wurde aber auch allmählich Zeit«, murmelte Jackie, als das Schloss klickte, die Kette rasselte und die Tür weit aufgerissen wurde.
Isobel starrte ihnen entgegen. Sie sah fürchterlich aus: die Haare auf einer Seite plattgedrückt, auf der anderen wild zerzaust. Blutunterlaufene Augen, eine frische Schramme auf der linken Wange. Sie trug einen babyblauen Pyjama mit Pinguinen – sehr passend. »Was wollt ihr?« Eine Whiskyfahne wehte ihnen entgegen, als sie den Mund aufmachte.
Logan trat an die Tür heran. »Isobel, ist alles okay? Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
Sie hob eine fahrige Hand an die Schramme und versuchte zu lächeln – es funktionierte nicht. »Vielleicht … bin ich gestolpert, als ich zur Toilette gehen wollte, um mich zu übergeben.« Sie trat zurück und streckte ihm die Hand entgegen. »Kommt rein, kommt rein, du und deine entzückende Frau Daphne.« Sie zeigte schwankend mit dem Finger auf WPC Watson. »Ich habe irgendwo noch eine Flasche Pernod. Ich weiß doch, dass ihr den mögt.«
Logan wollte gerade den Mund aufmachen und sagen: »Du weißt doch, dass ich Pernod hasse!«, da hatte sie sich auch schon abgewandt und wankte den Flur hinunter.
»Daphne?«, zischte Jackie. Logan zuckte mit den Achseln. Isobel musste wohl noch besoffener sein, als er gedacht hatte. Aber sie hatte noch nie viel vertragen. Sie folgten ihr bis zur Küche am Ende des Flurs. Alle Lichter brannten, und dort, vor der Frühstücksbar, nackt an einen Küchenstuhl gefesselt, saß Colin. Ein Bondage-Knebel zwang seine Kiefer weit auseinander, und Blut strömte aus der Wunde in seiner Brust, wo einmal die linke Brustwarze gewesen war.
Ein Geräusch hinter ihnen auf dem Flur – Logan fuhr herum und starrte in den Lauf einer Pistole. Es war Chibs Lustknabe. Eine Seite seines Gesichts war mit getrocknetem Blut verkrustet. Er bedeutete Logan, in die Küche einzutreten.
»DS McRae«, sagte eine wohlbekannte Stimme mit Edinburgher Akzent, als die Tür hinter ihnen geschlossen wurde. »Welch eine nette Überraschung.«
44
Chib schlenderte zu Colin Miller hin und blieb neben ihm stehen. Der Reporter war bleich und verschwitzt, er zitterte und stöhnte hinter seinem Knebel. Chib zog eine Drahtzange aus der Tasche, deren gummiüberzogene Griffe sich dunkel von seinen Latexhandschuhen abhoben. »Nun denn«, sagte er und lächelte freundlich, während Colin die Tränen über die Wangen liefen, »wenn ich Sie, DS McRae, und … tut mir leid, meine Liebste, aber ich habe Ihren Namen nicht
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