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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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breit. Und wich nicht mehr, bis sie den Kingswell-Kreisverkehr hinter sich gebracht hatten. Von hier bis Westhill führte der Weg nur noch an Feldern und dem einen oder anderen verstreuten Haus vorbei. Das Gras leuchtete smaragdgrün im Sonnenschein. Das war einer der großen Pluspunkte von Aberdeen: Ganz gleich, wo man wohnte, man war immer in fünfzehn Minuten im Grünen. Außer während der Rushhour. »Ich …« WPC Buchan räusperte sich. »Zuerst dachte ich, er hätte nur eine Affäre, aber …« Noch einmal tief Luft geholt, und dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. »Aber ich glaube, er hat mit den Frauen unten am Hafen geschlafen. Mit den … Prostituierten. Und sie mit Verwarnungen davonkommen lassen, wenn sie dafür …«
    Logan hielt eine Hand hoch. »Ist schon okay, Sie müssen es mir nicht erzählen.« Er hatte es schon vermutet: Das war der Grund, weshalb Michelle Wood und Kylie nicht vorbestraft waren und weshalb die litauische Prostituierte ihm angeboten hatte, ihn umsonst zu bedienen – weil er Polizist war.
    »Ich hab den Mistkerl vor die Tür gesetzt.«
    »Gut.«
    Ailsa stand am Küchenfenster und sah den Schulkindern zu, die auf dem Pausenhof spielten. Die kleineren tollten wild umher; die älteren fläzten sich lässig im Gras und aalten sich in der Sonne. Dieses schreckliche Weib von nebenan saß in Untersuchungshaft; der Richter hatte es abgelehnt, sie gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Das hatte sie heute Morgen in der Zeitung gelesen. In Untersuchungshaft genommen, angeklagt, Gavin Cruickshank auf grausige Weise ermordet zu haben. Auf der Titelseite der Press and Journal gab es sogar ein kleines Foto: Mit ihrem hässlichen, hasserfüllten Gesicht starrte sie in die Kamera, als sie aus dem Gerichtsgebäude geführt wurde. Natürlich war Gavins Tod nicht so bedeutend wie irgendein lokaler Sexskandal – für Gavin waren nur drei kurze Spalten am Ende der Seite reserviert. Aber es reichte, um auch dem Letzten klarzumachen, was für eine bösartige Hexe diese Clair Pirie war – dieser Alptraum von einer Nachbarin. Ailsa stieß einen tiefen, bebenden Seufzer aus. Gott sei Dank, endlich war sie weg.
    Das Bild der Kinder verschwamm vor ihren Augen, sie blinzelte die Tränen weg und biss sich auf die Unterlippe. Sie würde nicht weinen, sie würde nicht … Ein Schluchzer ließ ihre Schultern erbeben. Und dann ein leises Wimmern, das sich zu einem tiefen, kehligen Klagelaut steigerte. Gavin …
    Sie stand an der Spüle und weinte, trauerte um ihre Ehe und ihren Mann, während draußen die Kinder spielten. Kinder, die sie niemals miteinander haben würden.
    Sie hielt sich am Rand des Spülbeckens fest und erbrach sich, bekleckerte den blitzblank geputzten Edelstahl mit Frühstücksflocken, würgte und spuckte, bis nichts mehr in ihrem Magen war.
    Sie war gerade oben im Bad und wusch sich das Gesicht, als es an der Tür klingelte. Wahrscheinlich wieder die Presse. Tag und Nacht hatten die Reporter bei ihr angerufen und an die Tür gehämmert, gierig nach der Exklusivstory über die trauernde Witwe. Hatten noch Salz in die Wunden streuen müssen, als ob das Maß an Kummer und Leid nicht schon voll gewesen wäre. »Mrs. Cruickshank, stimmt es, dass Ihr Mann eine Affäre hatte?« – »Mrs. Cruickshank, wurde der Kopf Ihres Mannes schon gefunden?« – »Mrs. Cruickshank, was ist das für ein Gefühl, zu wissen, dass Ihre Nachbarin den Mann, den Sie lieben, ermordet und zerstückelt hat?«
    Wieder ging die Türglocke, und diesmal ertönte dazu eine Stimme. »Mrs. Cruickshank, ich bin’s, DS McRae. Würden Sie bitte aufmachen?«
    Sie spülte sich den Mund mit Zahnpasta aus, gurgelte und schluckte den Schaum hinunter, um den bitteren Geschmack des Magensafts unter einem dünnen Hauch von Minze zu verbergen. Dann ging sie rasch nach unten und öffnete die Tür.
    Draußen stand DS McRae, und neben ihm eine eher unscheinbare Polizistin. »Dürfen wir reinkommen?«
    Logan folgte ihr in die Küche, wo das Fenster sperrangelweit offen stand. Von der Schule gegenüber wehte der Lärm spielender Kinder herein, und der künstliche Blütenduft eines Raumsprays überlagerte den säuerlichen Geruch nach Erbrochenem. Die P & J von heute Morgen lag auf dem Tisch, das Titelblatt dominiert von der Schlagzeile: STADTRAT HATTE SEX MIT 13-JÄHRIGER PROSTITUIERTER ! Colin Miller hatte schon mal griffigere Formulierungen gefunden, aber es war ja auch nicht leicht, zu tippen, wenn einem die Hälfte der Finger fehlte.

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