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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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zornig, »habt ihr vergessen, was die Druiden uns lehren? Die Seele stirbt nicht. Sie kehrt wieder, alles Leben kehrt wieder, und euer Vater wird immer da sein!«
    »Nein«, sagte Brae leise. »Unser Vater ist nicht da. Er ist tot, und alles, an was er glaubte, ist verraten worden.«
    »Und deswegen ist unsere Mutter in der Schlacht!«, fügte Aili hinzu. »Sag uns nicht, dass das nicht wahr ist, Tyrai!«
    Rufus empfand Mitleid, als er die Mädchen so sprechen hörte. Er sah in ihre bemalten Gesichter, in denen Härte und Trauer standen. Sie vermissten ihren Vater und fürchteten um ihre Mutter.
    Ein Geräusch erfüllte die Nacht. Rufus sah auf. Auch die Mädchen hatten es gehört. Zwei Pferde stoben heran, die einen Wagen hinter sich herzogen, wie Rufus, No und Filine ihn bereits zuvor in der Flut gesehen hatte. Er war an der Seite mit großen runden Schilden geschützt und hatte mit Eisenringen umfasste hohe Holzräder. Gelenkt wurde er von einem Fahrer, und hinter ihm stand Königin Boudicca und hob ihren Speer zum Gruß.
    »Meine Töchter!«, rief sie. »Das Lager der Rotschöpfe ist zerstört. Sie sind geflohen oder gefallen. Wir haben sie besiegt!« Sie schwieg und sah in den Himmel. Dann wandte sie sich wieder ihren Töchtern zu. »Jetzt können wir uns in die Wälder zurückziehen, hoch in den Norden, wo kein Rotschopf uns jemals finden wird. Wir werden davor noch zu der Weide gehen und ihr danken. Dann werde ich euch und den Stamm in das Land der Druiden bringen, auf ihre entlegene Insel.«
    »Königin Bydegg! Willst du wirklich dein Land aufgeben?«, rief in diesem Moment eine Stimme. »Und glaubst du tatsächlich, mit dieser Schlacht heute wäre alles getan?«
    Rufus, Filine und No drehten sich hastig um.
    Lautlos war hinter ihnen ein Reiter aufgetaucht, der der Königin einen stolzen Gruß entbot.
    »Ich bin Lud, Bote des Königs der Trinovanten, Bote des Königs der Catuvellauni, Bote des Königs der Cantii. Die Rotschöpfe haben nicht nur euch, sie haben auch uns alles genommen. Allein konnten wir sie nicht besiegen. Nun aber hat sich die Kunde deines Aufstandes schneller verbreitet als Feuer und Pferd. Du hast den Kampf gegen die Rotschöpfe begonnen, und das Volk der Stämme hat deinen Namen in diesen Tagen lauter gerufen als je einen Namen auf unserer Insel zuvor. Lasst uns miteinander verbünden und gemeinsam gegen sie ziehen. Stehen wir vereint, Königin Bydegg. Unsere Stämme verlangen danach. Hör auf dein Volk! Lass uns die Rotschöpfe von unserer Insel vertreiben!«
    Die Königin sah den Boten nachdenklich an.
    »Die Rotschöpfe vertreiben?«
    »Ja, sie davonjagen und uns das älteste Recht zurücknehmen, das Recht der Freiheit. Die Stämme der Kelten sind auf dem Weg zu dir, Bydegg. Sie schicken mich, um dir diese Nachricht zu überbringen.«
    Boudiccas Blick glitt über den Boten, hinauf in den Himmel und senkte sich dann auf ihre Töchter. »Der Wille all dieser Stämme richtet sich auf meine Anführerschaft?«
    »Ja, Bydegg!«, bestätigte Lud. »Wenn du deine Kraft an die Spitze stellst, werden wir gemeinsam gegen die Rotschöpfe ziehen.«
    Rufus sah, wie gebannt No und Filine lauschten. Dann wandte sich Boudicca an ihre Töchter.
    »Brae und Aili!«
    »Ja, Mutter?«
    »Nach dem Recht der Icener und der keltischen Stämme ist mit dem Tod eures Vaters das Erbe des Stammes unser – solange keine von uns dreien einem anderen Mann die Ehe verspricht. Ich bin die Königin. Ich muss mich mit euch besprechen. Wenn eine von euch einen Mann wählt, so würde er der König und jede von uns würde sich ihm beugen. Liegt es in eurer Absicht, euch zu vermählen?«
    Aili schüttelte heftig den Kopf. »Unser Vater hat den Rotschöpfen gedient, und dann sind sie selbst gekommen und haben unser Dorf angezündet. Solche Männer dürfen nie über uns herrschen. Du bist die Königin, und ich will, dass du die Stämme der Kelten anführst.«
    Brae sah ihre Mutter an. »Ich kenne keinen Mann, der ein besserer Anführer wäre als du, Mutter. Und ich will auch nie einen Mann heiraten. Die Rotschöpfe, die unser Dorf niedergebrannt haben, waren auch Männer …«
    Sie schwieg und sah zu Boden.
    Boudicca fuhr ihren Streitwagen näher an den Karren ihrer Töchter heran.
    »Ich habe nichts anderes erwartet, meine Töchter. Und ich stimme euch zu. Aber ihr wisst auch, dass ich in der Schlacht bleiben kann?!«
    »Mutter«, sagte Aili. »Die Druiden sagen, dass die Seele unsterblich ist. Dass keiner von uns Angst haben

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