Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
Vom Netzwerk:
gemeint, aber ich möchte das alleine machen. Kann ja sein, dass er wütend wird, und da will ich euch nicht mit reinziehen.«
    No sah Filine fragend an, und das Lehrlingsmädchen nickte.
    »Okay.«
    Die beiden setzten sich auf die Stühle im Vorraum. Genau dort, wo Rufus’ Mutter gewartet hatte, als er das erste Mal alleine mit Direktor Saurini gesprochen hatte.
    »Danke.« Rufus klopfte an die Tür.
    »Herein!«, rief die fröhliche Stimme des Direktors Rufus öffnete die Tür und trat ein. Gino Saurini saß in seinem schweren Ledersessel hinter dem Schreibtisch. Rund um sein Büro verlief eine lange Fensterfront, deren Ausblick über die Dächer der Akademie dem Raum etwas Taubenschlagartiges verlieh.
    Der kleine, rundliche Mann erhob sich. Hinter seinem Rücken lag der alte Kamin, in dem Rufus bei seiner ersten Begegnung mit einer Flut ein Feuer gesehen hatte, obwohl gar kein Feuer gebrannt hatte.
    Gino Saurini deutete auf einen der beiden mit glänzendem Stoff bezogenen Sessel.
    »Setz dich, Rufus.« Er nahm selbst wieder Platz und schob einen Stapel Briefe zur Seite. »Deine Mutter hat gerade geschrieben, dass sie zum Elterntag kommen wird.«
    Überrascht sah Rufus auf. »Ja? Mir hat sie gar nicht geschrieben.«
    Der Direktor der Akademie lächelte bedauernd. »Eliteinternat, du weißt doch. Das verleitet die Eltern immer wieder dazu, sich erst an den Direktor zu wenden, anstatt mit ihren Kindern selbst Kontakt aufzunehmen. Aber es ist trotzdem schön, dass sie kommen will, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Rufus.
    Saurini lächelte. »Doch deswegen bist du sicher nicht hier. Um was geht es denn?«
    Rufus fasste sich ein Herz.
    »Direktor Saurini, was wissen Sie über Traumfluten? Ich glaube nämlich, ich bin in einer gelandet.«
    »Ach?!« Der Direktor sah Rufus hellwach an. »Bist du dir da vollkommen sicher?«
    »Nicht bis in alle Einzelheiten«, sagte Rufus. »Aber ich träume von einer Flut, in der No und Filine sich auch befinden. Das steht fest. Und ich habe in den Träumen Sachen erfahren, die uns bei der Flut zusammen weitergebracht haben. Die Träume hängen also ganz sicher mit der Flut zusammen.«
    »Hm«, brummte der Direktor und fuhr sich mit der Hand über das Kinn. »Traumfluten, also …« Er legte den Kopf schief. »Es gab sie angeblich schon immer. Allerdings waren die bisherigen Ergebnisse von Traumfluten immer sehr ungewiss. Hast du das Buch von Meister Zeitschneider gelesen?«
    Rufus nickte. Von Coralia sagte er lieber nichts.
    »Dann weißt du also auch, dass keine seiner Traumfluten zu einem erfolgreichen Ende geführt hat?«
    »Ja«, sagte Rufus. »Aber was bedeuten sie?«
    Gino Saurini seufzte. »Die alten Meister haben nicht gerne darüber geredet. Es hieß immer, die dunklen Kräfte hätten in den Traumfluten in der Vergangenheit zu leichtes Spiel gehabt. Wenn eine Flut nicht zu Ende geführt werden kann, heißt das ja normalerweise, dass sie scheitert. Aber niemand konnte mir sagen, ob eine nicht zu Ende geführte Traumflut dieselben Gefühle von Schmerz und Trauer verursacht. Ist Meister Zeitschneider daran verrückt geworden? Ist er überhaupt verrückt geworden? Und was würde eine erfolgreiche Traumflut bedeuten? Niemand, den ich kenne, hat je eine erfolgreiche Traumflut erlebt! Es gibt für die ganze Geschichte allerdings auch eine andere Erklärung. Einige Frischlinge haben in ihren ersten Monaten hier Ansätze von Traumfluten. Sie träumen auf äußerst lebendige Weise von den Fluten, in denen sie sich befinden, und sehen mitunter auch Teile, die sie in den realen Fluten nicht erleben. Und es könnte natürlich sein, dass das gerade auch dir passiert. Wir hatten das bisher nicht in Flutkunde, weil es wirklich sehr selten ist.«
    Saurini sah auf und blickte Rufus in die Augen.
    »Deswegen würde ich dir raten, warte ab. Es kann wie der Traum vom Fliegen sein. Wir alle träumen ihn am Anfang unseres Lebens, aber nur die wenigsten können später wirklich fliegen.«
    Der Direktor lächelte.
    »Ich danke Ihnen«, sagte Rufus ruhig. »Und ich glaube, das ist ein guter Rat. Aber was meinten die alten Meister mit dunklen Kräften?«
    Direktor Saurini nickte ernst. »Stell dir vor, du könntest in deinen Träumen Artefakte herbeischaffen. Ganz allein, im Schlaf. Denkst du nicht, dass darin eine gewisse Verführbarkeit liegen könnte? Sei es der Macht halber oder des Geldes wegen. Das birgt doch große Gefahr. Und dann galten Traumfluten einfach stets als absonderlich. Sie unterschieden

Weitere Kostenlose Bücher