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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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muss vor dem Tod in der Schlacht, denn die Seelen kehren immer zurück.«
    Überrascht sah Tyrai das Mädchen an.
    »Und selbst wenn sie niemals wiederkehren würde, Mutter«, sagte Brae jetzt. »Führe die Kelten gegen die Rotbüsche!«
    Boudicca blickte ihre Töchter voller Stolz an. Dann griff sie sich an den Hals und zog den Goldreif ab, den sie trug. Es war ein schwerer Reif, der in sich gewunden wie ein Strick in zwei Tierköpfen auslief, in einem Wolf und einem Hund.
    »Was auch immer geschieht, ihr werdet diesen Reif der Weide bringen und ihn zum Dank an ihren Wurzeln vergraben. Denn wenn die Stunde des Raben kommt, muss der Dank entrichtet sein. Tut das für mich. Dann geht ihr mit Tyrai in den Norden. Er bringt euch zu den Druiden. Sie werden euch aufnehmen und lehren, was sie wissen, wenn ihr ihnen sagt, dass ich euch schicke.«
    Die Königin stieg von ihrem Wagen, winkte ihren Wagenlenker herab und reichte die Zügel Tyrai: »Nehmt meinen Streitwagen. Er ist schneller als euer Karren und sicher gepanzert, falls euch Soldaten über den Weg laufen. Und er ist von mir und eurem Vater gebaut.« Sie sah ihre Töchter an. Dann trat sie auf die beiden Mädchen zu und schloss sie in die Arme. »Ich danke euch für alles. Ihr seid mit euren jungen Jahren die Stützen meines Lebens. Auch ich habe euren Vater geliebt. Ich war nicht seiner Meinung, aber ich habe ihn unterstützt, als er die Rotbüsche hofierte, denn ich hoffte, er handelte weise. Es hat sich als Irrtum erwiesen. Nun stehen wir alleine, ihr und ich. Aber euer Vater ist gerächt und seine Fehler sind beglichen.«
    »Ja, Mutter«, erwiderte Brae und nahm den Reif. »Wir werden tun, was du sagst.«
    »Führe die Briten an!«, sagte Aili.
    Die beiden Mädchen bestiegen hinter Tyrai den Streitwagen. Der Beschützer der Königstöchter grüßte die Königin und setzte das Gefährt in Bewegung.
    Boudicca wandte sich dem Boten zu. »Du hast es gehört. Meine Krieger und Kriegerinnen erwarten euch hier.«
    Lud hob die Faust in den Himmel und ritt in die Nacht davon. Dann stieg Boudicca auf den hölzernen Karren. »Komm, Wagenlenker, wir müssen zu den unseren!«
    Der Mann sprang auf und ergriff die Zügel. Dann rumpelte der Karren auf die brennende Stadt zu.
    »So ein kurzer Abschied und sie wissen nicht, ob sie sich je wiedersehen werden«, sagte Filine mit leiser Stimme.
    No nickte nachdenklich. »So ein Krieg ist wirklich grausam.« Er blickte hinüber zu dem brennenden römischen Lager.
    »Und doch verstehe ich die Kelten«, murmelte Rufus. »Sie kämpfen um ihre Freiheit.«
    »Ja«, stimmte Filine zu. »Ich habe aber gelesen, dass die keltischen Stämme sich auch untereinander immer wieder bekriegt haben. Deswegen konnten die Römer Britannien überhaupt erst erobern. Sie waren nämlich schlau, sie begannen ihre Invasion der Insel kurz nach dem Tod eines berühmten Königs, der viele der einzelnen Stämme hätte zusammenführen können. Er hieß Cunobelinus. Unter ihm hätten sich die Kelten vielleicht entschieden, sich den Eindringlingen niemals zu unterwerfen.«
    »Fili, No!«, Rufus sah immer noch hinter dem sich entfernenden Wagen her. »Wir müssen uns auch entscheiden.«
    Er deutete in den Himmel, der am oberen Rand weiß wurde, sodass die Sterne zu flackern begannen.
    »Oh.« No stieß die Luft aus. »Du hast recht, wir können hier nicht einfach stehen bleiben. Wir müssen ihnen nach.«
    »Aber wem?«, fragte Rufus. »Es ist deine Flut No, und ich finde, du sollst entscheiden.«
    »Und wenn ich mich irre?« Hektisch warf No den Kopf hin und her, als verfolgte er ein Tennisspiel auf drei Feldern. »Habt ihr denn gar keine Idee?«
    »Doch«, sagte Filine. »Aber ich bin sicher, du weißt es auch.«
    No wandte sich in Richtung der davonfahrenden Mädchen. »Wir sollten ihnen folgen«, sagte er. »Mit ihnen hat die Flut begonnen, und obwohl ich noch immer nicht die geringste Ahnung habe, welches Artefakt uns hierhergeführt hat, ich glaube, wir müssen ihnen nach.«
    »Das denke ich auch«, stimmte Filine zu.
    Rufus nickte.
    Im selben Moment wurde das Flutbild wieder klar. Und das blieb es auch, obwohl der Streitwagen vor ihnen nach wenigen Minuten in der Dunkelheit verschwand.
    No, Rufus und Filine folgten stattdessen der Spur, die das Gefährt in den verbliebenen Schneeresten immer wieder hinterlassen hatte.
    Über ihnen begann der Himmel allmählich heller zu werden. Es war bitterkalt, und über den Feldern sammelte sich Frühnebel.
    Ein dunkler

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