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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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schon beim Ansturm auf die Stadt beschädigt worden sein. Die Königin hat Glück, dass sie uns den Wagen gegeben hat. Wenn das in einer Schlacht geschehen wäre, hätte sie es vielleicht teuer bezahlt.«
    Die Schwestern warfen sich einen besorgten Blick zu.
    »Und was jetzt?«
    »Ich muss die Achse austauschen. Das wird einige Zeit dauern. Ich muss Holz besorgen und zurechtschlagen.« Tyrai sah sich um. »Die Straße ist ohne schnelles Gefährt nicht sicher. Wir führen die Pferde in den Wald und verbergen uns dort. Und den Wagen ziehen wir ebenfalls außer Sicht. Dann kümmere ich mich um die Reparatur.«
    Als hätten seine Worte es heraufbeschworen, tauchte in diesem Augenblick ein Reiter auf, der zwischen den Bäumen auf sie zuhielt. Er trug einen zerschlissenen Mantel und sein langes graues Haar flog ihm um den Kopf. Trotz seines offenbar hohen Alters ritt er in vollem Galopp.
    Unwillkürlich duckten sich Brae und Aili.
    »Es ist kein Rotschopf, keine Angst!«, rief Tyrai ihnen zu. Dennoch zog er sein Schwert und stellte sich dem Reiter in den Weg.
    »Ihr braucht keine Waffe!«, rief der Mann den drei Icenern entgegen. »Fürchtet euch nicht. Ich bin auf dem Weg in die Wälder und in die Einsamkeit, um Schutz zu finden.«
    Rufus erkannte, dass der Mann erschöpft und müde aussah. Sein Atem ging schwer. Er stieg von seinem Pferd und zeigte zum Zeichen, dass er unbewaffnet war, seine leeren Hände vor.
    »Sehe ich das richtig, dass ihr euch in den Wald zurückziehen wolltet mit eurem kaputten Gefährt? Seid ihr auf der Flucht vor den Rotschöpfen?«
    »Ja«, knurrte Tyrai. »Und du kannst uns dabei helfen. Fass mit an, Alter, dann ziehen wir den Streitwagen zusammen in Deckung.«
    Der alte Mann nickte.
    Während Brae und Aili sich um die Pferde kümmerten, schafften Tyrai und der fremde Mann das Gefährt mit viel Mühe hinter die erste Baumreihe. Danach holte der Reiter sein eigenes Pferd.
    Als er wiederkam, zog er einen Beutel vom Rücken des Tieres. »Ich habe Fleisch. Es wird für uns alle reichen. Macht ihr mir die Freude, das Mahl mit mir zu teilen?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, entfachte der Alte geschickt ein Feuer. Tyrai sah ihm zu, dann wandte er sich an Brae und Aili.
    »Ich suche das Holz für die Achse. Ihr ruht euch aus.«
    Er zog eine Axt aus dem Gürtel und wollte sich auf die Suche machen.
    Der alte Mann lächelte. Dann sagte er unvermittelt: »Erschreckt nicht, Töchter der Bydegg. Ich habe euch gesucht.«
    Tyrai fuhr herum.
    »Dich auch, Tyrai!«, sprach der Alte weiter. »Setz dich wieder ans Feuer. Ich komme in Freundschaft, und ich muss mit euch sprechen.«
    Mit zusammengezogenen Augen sahen die beiden Mädchen den alten Mann an.
    Er zog gelassen das Fleisch aus dem Beutel und begann es über dem Feuer zu grillen.
    »Woher weißt du, wer wir sind?«, knurrte Tyrai ihn an.
    »Ich bin Myrddin, der Druide.«
    Brae und Aili entspannten sich etwas.
    »Setz dich, Tyrai«, wiederholte Myrddin. »Bitte!«
    Tyrai überlegte, dann steckte er seine Axt wieder in den Gürtel. Er setzte sich Myrddin gegenüber ans Feuer. Brae und Aili standen dicht hinter ihm.
    »Setzt euch auch ans Feuer, Töchter der Bydegg«, bat Myrddin. »Ich habe Botschaften für euch. Solange dieses Fleisch hier grillt, hört euch an, was ich zu sagen habe.«
    Myrddin sah auf und sein Blick aus wasserblauen Augen traf die Blicke der Mädchen. Brae setzte sich als Erste. Dann ließ sich auch Aili nieder.
    Myrddin nickte. »Töchter der Bydegg, ich habe gute und schlechte Nachrichten für euch. Die Stätte, die ihr sucht, gibt es nicht mehr. Eure Mutter hat klug gehandelt, euch zu uns nach Norden zu schicken, aber sie konnte nicht alles vorhersehen, was geschehen würde. Und doch hat sie mit ihrem Angriff mehr bewirkt, als sie ahnte. Die Römer unter ihrem Statthalter Gaius Suetonius Paulinus sind schon vor Monaten ausgezogen, um die Heiligtümer auf der Insel der Druiden zu zerstören und jeden von uns zu töten. Ihr Plan war es, alle Druiden Britanniens auf einen Schlag zu vernichten. Und fast wäre es ihnen gelungen.«
    »Du bist wirklich ein Druide?«, stieß Aili hervor und sah Myrddin herausfordernd an.
    »Das bin ich«, erwiderte Myrddin.
    »Dann beweise es!«, flüsterte Brae plötzlich. »Was sagst du uns über den Tod?«
    Myrddin lachte leise auf. »Du willst mich testen, Tochter der Bydegg? Reicht dir denn als Beweis der Wahrheit meiner Worte nicht, dass ich eure Namen weiß, ohne euch je gesehen zu haben?«
    »Nein«,

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