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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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zusätzlich, noch bevor Violante ihm sagen konnte, wie schrecklich die Pest in der Burg gewütet hatte.
    »Halt Abstand von uns.« Violante wich seiner helfenden Hand aus. »Ich weiß nicht, ob Aimée sich angesteckt hat. Ich werde mit ihr in der Meierei am Fluss wohnen. Das Haus steht leer, und wir sind dort weitab von anderen Menschen. Sorge du dafür, dass ich genügend Holz und Vorräte für uns habe. Ich muss über Tage ein offenes Feuer halten, wie die Ärzte in Avignon. Zudem brauche ich eine Menge Leinenbinden, Wacholderbeeren und reichlich Essig. Deine Frau soll mir alle Arzneien und Pulver einpacken, die wir in Andrieu vorsorglich gegen die Pest bereitgestellt haben, nicht zu vergessen das Rosenpulver. Sag ihr auch, dass sie alles, was sie dir mitgibt, unverzüglich für Andrieu ersetzen muss.«
    »Ihr könnt unmöglich mit dem Kind allein in der Meierei bleiben, Mutter. Das ist eine Unterkunft, die früher ausschließlich von Hirten bewohnt wurde. Wie wollt Ihr da zurechtkommen?«
    Violante sah ihn mitfühlend an. Er hatte seinen Bruder verloren, den er sehr geliebt hatte. Sie wollte ihm wenigstens seine Angst um sie und Aimée nehmen.
    »Wir werden uns gegenseitig helfen, das Kind und ich, du musst dir keine Gedanken um uns machen. Wir reiten den Weg am Fluss entlang. Das gibt dir Zeit, die Meierei für uns vorzubereiten. Ich möchte möglichst keinem Menschen begegnen. Sowie bekannt wird, dass auf Courtenay die Pest herrscht und ich meine Enkelin aus der Burg geholt habe, ist das gefährlich für uns. Ich verlasse mich auf dich und deine Frau, dass ihr euch nicht verplappert.«
    Sie hatte recht. Die Angst vor der tödlichen Krankheit machte die Menschen unberechenbar. Jean-Paul musste sich beeilen, damit sie in Sicherheit waren, bevor die schreckliche Neuigkeit die umliegenden Höfe erreichte.
    Violante zügelte ihre Stute auf dem Weg zur Meierei an einer Stelle, die einen letzten Blick auf Courtenay erlaubte. Sie starrte so lange zur Burg hinüber, dass Aimée ihrem Blick folgte.
    »Müssen auch wir sterben, Großmama?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher? Seit der Mann mit den Bändern gekommen ist, sterben alle. Die Mutter, mein Bruder, das Gesinde, der Kaplan. Vater hat gesagt, wir müssen für sie beten, und er wird auch sterben. Ich weiß es, sonst wäre er mit uns gekommen.«
    »Hör zu!« Violantes Augen, ebenso grün wie die von Aimée, beschworen die Kleine. »Solange ich etwas zu sagen habe, wirst du leben, Aimée. Hörst du? Ich lasse nicht zu, dass du stirbst, und ich lasse auch nicht zu, dass dir Böses zustößt, das verspreche ich dir.«
    Aimée schaute sie ängstlich an. »Und was ist mit meinem Vater?«
    »Gott hat einen Platz im Himmel für deinen Vater vorgesehen.«
    »Werde ich ihn dann im Himmel wiedersehen?«
    »Ganz sicher wirst du das. Das ist auch mein Trost, weil wir uns dort eines Tages alle wiedersehen werden. Bis dahin müssen wir stark sein.«
    Die nächsten Wochen bestärkten Violante. Sie hatte das Richtige getan. Aimée blieb gesund, und das Aufflackern der Pest blieb lokal begrenzt. Auf der Burg von Courtenay allerdings überlebte es niemand.
    Jean-Paul erstattete traurigen Bericht, als sie ihm nach vierzig Tagen der Quarantäne die Tür der Meierei öffnete. Inzwischen war es September, und es hatte keine neuen Pesttoten mehr gegeben.
    »Die Burg bleibt verschlossen, bis wir eine Möglichkeit finden, die Toten zu begraben und die Räume mit Kalk und Essig zu säubern. Sicher müssen wir sogar einen Teil in Brand stecken«, schloss er. »Es ist nicht nötig, die Sache zu überstürzen, Herbst und Winter stehen vor der Tür. Und die Zeit heilt Wunden. Wir werden den materiellen Verlust verwinden. Du hast Aimée das Leben gerettet, in ihr wird Simon für uns alle weiterleben.«
    Beide sahen zu Aimée hinüber. Sie stand still auf der Wiese vor dem Haus und schaute in den Himmel, als habe sie vergessen, wie blau er sein konnte. Sie war schmaler geworden, und sie sah älter aus als andere Sechsjährige.
    »Es versöhnt mich mit Gott und dem Schicksal, dass sie lebt. Ich will alles tun, damit sie die Schrecken dieses Sommers vergisst und wieder lachen lernt.« Violante wandte sich mit einem Ruck zu Jean-Paul und griff nach seinen Händen, wie sie es immer tat, wenn sie seine volle Aufmerksamkeit haben wollte. »Versprich mir, dass du an meiner Stelle für sie sorgst, wenn ich einmal nicht mehr bin.«
    »Das müsst Ihr nicht sagen, Mutter. Ihr habt mein Wort, dass ich Aimée wie

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