Die Stunde des Verfuehrers
obdachlos sein werde.“
„Wovon sprichst du, Alana? Was du sagst, ergibt überhaupt keinen Sinn.“
„Ohne einen Job werde ich das Haus nicht mehr halten können. Die Kreditrate für diesen Monat ist bezahlt, aber danach …“
Pascal erhob sich. Auf einmal wirkte er sehr distanziert. „Wie ist das möglich? Du musst doch ein Vermögen geerbt haben?“
Seine Kälte berührte etwas tief in ihrem Innern. Zum ersten Mal hatte sie das Bedürfnis, einem anderen Menschen die ganze Wahrheit zu erzählen.
„Nein, das ist nur ein Gerücht. Ryan hat alles verspielt. Zusammen mit Sean und anderen hat er unglaublich kostspielige Wochenendausflüge nach Las Vegas und anderswohin gemacht. Sie haben Privatjets gechartert, in den besten Hotels gewohnt … Alkohol, Drogen, Frauen, Glücksspiel. Als Ryan starb, beliefen sich seine Schulden auf knapp eine Million. Niemand wusste davon. Wenn ich nicht unser Haus in Dalkey hätte verkaufen können, hätte ich einen Offenbarungseid leisten müssen. Mit meinen Ersparnissen, und das war nicht viel, habe ich dieses Cottage gekauft. Gott sei dank habe ich mit der Bank einen Kredit aushandeln und so Ryans Gläubigern ihr Geld zurückzahlen können. Aber ohne Job kann ich die Raten nicht mehr bezahlen.“
„Ich rede mit Rory.“
Alana schüttelte den Kopf. „Nein, das würde alles nur noch schlimmer machen.“
„Was ist mit deiner Familie? Weiß wenigstens die Bescheid?“ Die Frage versetzte ihr einen Stich. „Nein“, gestand sie und stand auf. Sie hielt es nicht mehr aus, still sitzen zu bleiben, während er sie einem Kreuzverhör unterzog. „Sie … sie haben ihre eigenen Sorgen. Meine Eltern sind schon alt. Ich will sie nicht mit meinen Problemen belasten.“
„So siehst du deine Ehe?“
Die Art und Weise, wie Pascal die Frage stelle, sehr sanft und verständnisvoll, ließ Alana sich noch verletzlicher fühlen. Irgendwie musste sie die Distanz wahren. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis er die Nase voll von ihr und ihrem verpfuschten Leben hatte.
„Lange Zeit habe ich sie so gesehen, ja. Deshalb bin ich auch so fest entschlossen, denselben Fehler kein zweites Mal zu begehen.“
„Und du glaubst, dass das gerade hier passiert? Dass ein Fehler begangen wird?“
Verwirrt schüttelte Alana den Kopf. Meinte er ihn und sie? „Ich … Wovon sprechen wir jetzt? Die Sache mit uns ist etwas ganz anderes.“
Pascal machte einen Schritt auf sie zu, worauf sie panisch zurückwich. Im Augenblick fühlte sie sich so verletzlich und verwundbar, wenn er sie jetzt berührte … Unvermittelt stieß sie gegen die Theke ihrer Küche. An ihrer Hand spürte sie einen kleinen Gegenstand. Instinktiv versuchte, ihn so unauffällig wie möglich hinter ihrem Rücken zu verbergen. Sie wusste genau, was sie da ertastet hatte. Erst vor wenigen Minuten, als die Türklingel sie aus dem Bad gerufen hatte, hatte sie ihn dort abgelegt.
Pascals Blick erhaschte die abrupte Bewegung. „Was war das?“
„Nichts.“
„Weshalb versteckst du es dann vor mir?“
„Das tue ich gar nicht.“
„Dann zeig es mir.“
„Das ist nichts, nur Abfall.“ Verzweiflung hatte sich in ihre Stimme geschlichen. Zu viel war in den letzten Stunden passiert, als dass sie jetzt die Kraft besessen hätte, auch noch damit fertig zu werden. Hastig wirbelte sie herum und packte das kleine Stäbchen, um es in den Mülleimer zu werfen. Doch bevor ihr das gelang, hatte Pascal seine Arme um ihre Taille geschlungen. Er zog sie an sich und entwand es ihr.
Alana schloss die Augen. Ihr Atem klang laut in ihren Ohren. Sie konnte sich genau vorstellen, wie er zu begreifen versuchte, was genau er da in Händen hielt.
Sie spürte, wie sein Körper sich versteifte. Sein Griff um ihre Taille lockerte sich. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er in dem Gegenstand einen Schwangerschaftstest erkannte.
Abrupt, so abrupt, dass Alana stolperte, ließ Pascal sie los. Er betrachtete noch immer das Stäbchen. Erst nach schier endloser Zeit schaute er Alana an. Es kostete sie all ihre Selbstbeherrschung, nicht unter seinem finsteren Blick zusammenzucken.
Er drehte sich um und machte ein paar Schritte zurück ins Wohnzimmer. „Und, wolltest du dieses kleine Geheimnis auch für dich behalten? Eine weitere Last alleine schultern?“
Schmerz wallte in ihr auf. „Ich habe den Test kurz bevor du gekommen bist gemacht. Meine Periode ist überfällig … In letzter Zeit war mir morgens ein bisschen flau. Natürlich hätte ich dir
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