Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
trat dem Mann ins Gemächt und kam taumelnd auf die Beine. Wieder wurde geschossen. Beißender Pulverrauch füllte den Schankraum.
»Zur Tür!«, rief der Feuerwerker.
Sir sah sich verzweifelt im Dunkeln um. Der hatte gut reden! Wo war die Tür? Ein Schatten bewegte sich vor ihm. Der Schotte riss die Pistole hoch.
»Nicht! Ich bin’s!«
Gabriela! Fast hätte er sie niedergeschossen. Sie packte ihn am Arm. »Hier entlang. Bist du verletzt?«
»Nein«, brummte er mürrisch. »Aber ich glaube, ich werde langsam zu alt für so etwas.«
Sie erreichten die Tür und stürmten über den Hof. Gregorius folgte ihnen hinkend. Wieder bellten Schüsse. Der Feuerwerker stürzte.
»Mach die Pferde bereit! Ich hole ihn!« Noch bevor Gabriela etwas erwidern konnte, rannte er zurück.
Eine Kugel hatte dem Nürnberger den Arm durchschlagen. Er blutete stark. Für einen Augenblick war es ruhig. Offenbar mussten die Banditen wieder nachladen. Nur zwei Schritt neben Gregorius lag Branko. Ein Schuss aus nächster Nähe hatte dem Jungen das halbe Gesicht weggerissen. Sir packte seinen Freund unter den Achseln und zerrte ihn zu den Ställen. Keuchend schloss er das hohe Tor hinter sich. Noch immer war draußen alles ruhig.
»Ich schlage einen taktischen Rückzug vor«, stöhnte Gregorius.
»Angenommen!« Sir blickte zu Gabriela. Sie zuckte mit den Schultern. Etwas fiel polternd auf das Dach der Ställe.
Der Schotte und Gabriela sattelten die Pferde, während Gregorius mit zwei Pistolen beim Stalltor blieb. Die Tiere wurden immer unruhiger. Wieder fiel etwas aufs Dach.
»Riechst du das?«, fragte Gabriela besorgt.
Sir hielt einen Moment lang inne. Rauch! Die Schurken versuchten, den Stall abzubrennen. Hastig zog er den Sattelgurt fest. »Wir müssen hier raus!«
»Ich hol die anderen Pferde aus den Verschlägen.«
Bevor Sir etwas antworten konnte, war Gabriela im Finstern verschwunden. Es war müßig, ihr nachzulaufen. Er hatte alle Hände voll mit seinem Rappen zu tun, der auskeilte und versuchte sich loszureißen.
Lange Flammenzungen leckten durch die Dachbalken, bis endlich drei Pferde gesattelt waren. Die übrigen Tiere drängten sich vor der Stalltür. Sir riss den Sperrriegel zurück und in wilder Jagd preschten sie auf den Hof. Er legte sich flach über den Hals seiner Stute, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Die Räuber empfingen sie mit Schüssen. Gabrielas Pferd stieg. Sie hieb einen der Schurken mit dem Säbel nieder. Einen Herzschlag lang sah sie aus wie ein Reiterstandbild.
Ohne sich auf weitere Kämpfe einzulassen, galoppierten sie nach Süden, um tiefer in die Berge zu kommen. Sie hatten den Gasthof schon ein Stück weit hinter sich gelassen, als Sir sich noch einmal umsah. Der brennende Stall erleuchtete das Tal unter ihnen. Einer der Räuber führte Pferde vom Waldrand herbei. Es war also noch nicht zu Ende.
Sie waren eine Stunde oder länger in halsbrecherischem Tempo über steile Bergpfade geritten, als Sirs Pferd zu lahmen begann. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als abzusteigen und die Stute am Zügel zu nehmen. Dicht neben dem Weg ging ein Steilhang senkrecht in die Tiefe. Irgendwo in der Finsternis erklang das Plätschern eines Wasserfalls. Dies wäre ein guter Platz, die anderen aufzuhalten. Er konnte nicht länger bei Gabriela und Gregorius bleiben. Er hielt die beiden nur auf. Wenn er sich hier ihren Verfolgern stellte, würde er sie eine Weile aufhalten. Sie könnten ihn nur von vorne angreifen. Er zog die Pistolen aus den Sattelholstern und schob sie sich in den Gürtel. Als er gesehen hatte, wie diese Mordbrenner ihre Pferde holten, statt den Gasthof zu plündern, hatte er begriffen, dass es sich hier nicht einfach um Marodeure handelte. Sie waren wegen Gabriela hier.
Gabriela zügelte ihr Pferd und blickte zu ihm zurück.
»Was ist los? Warum bleibst du stehen?«
Sie sah gut aus, mit zerzaustem Haar und wildem Blick. Was für eine Frau! Sir war stolz darauf, ihr Freund gewesen zu sein. Mit einem Achselzucken wies er zu seiner Stute. »Sie hat eine Stauchung. Ihr müsst ohne mich weiter!«
Gabriela schüttelte entschieden den Kopf. »Auf gar keinen Fall! Sie wollen mich, ich werde nicht zulassen, dass auch du noch dein Leben für mich gibst.«
»Gestattest du mir die Freiheit, dass ich darüber selbst entscheide? Wenn wir alle hierbleiben, haben die anderen gewonnen! Ich schlage dir vor, wir lassen das Schicksal entscheiden.«
»Wie meinst du das?«, fragte sie
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