Die Suche nach dem Wind
Meise. Sie wird sie in Ihre Räume geleiten. Möchten Sie eines unserer luxuriösen Zimmer oder lieber einen Abstellraum, um sich heimischer zu fühlen?«
»Wie können Sie es wagen?«, zischte sie und rang sichtbar um Fassung und um Worte. Ihr Mund öffnete und schloss sich immer wieder.
Aeneas lächelte unvermindert. »Sie wissen, wer ich bin, und ich weiß, wer Sie sind. Das Vorwerfen unterschiedlicher Herkunft funktioniert generell in beide Richtungen, verehrte Frau Assistentin. Wir können uns die ganze Zeit über weiter angiften, oder wir können in Zukunft zumindest so tun, als wären wir vernunftbegabte Erwachsene. Ich pass mich gern an und überlasse die Entscheidung Ihnen.«
Aus leichter Röte im Gesicht waren dunkelrote Flecke geworden. »Sie sind ein ...«
»Ringlord, Frau Kossolowy, also vergreifen Sie sich besser nicht mehr im Ton, sonst sehe ich mich gezwungen, Sie mit besten Grüßen aber umgehend an den Rat zurückzuschicken. Den Rat würde es kaum stören, denn ich habe dort tatsächlich mehr Freunde als Feinde, Sie hätten jedoch ihrem eigentlichen Auftraggeber, dem Rhanlord, eine Menge zu erklären. Halten Sie mich nicht für dämlich! Ich lebe nicht auf Rhanmarú, doch ich versuche aus gutem Grund, mich stets auf dem Laufenden zu halten.«
Er wandte sich zur stämmigen Haushälterin um, die mit unbeteiligter Miene näher kam. »Frau Meise, seien Sie bitte so gut und geleiten Sie unseren Besuch aufs Zimmer.«
Am nächsten Nachmittag ging der Ringlord neben Erik im Nieselregen durch den Park auf das Herrenhaus zu. Beide waren durchnässt und verdreckt, und Aeneas humpelte.
Erik warf ihm einen verlegenen Seitenblick zu. »Du übertreibst, oder?«
»Fragt jemand, der mir gerade die Beine weggetreten hat«, beschwerte sich sein Begleiter mit unüberhörbarem Tadel. »Von hinten!«
»Ich hab den Ball gespielt.«
»Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Wie wolltest du denn durch mich hindurch an den Ball kommen?«
Erik grinste. »Was willst du eigentlich? Ich hab es doch geschafft. Gib zu, du hinkst nur, damit ich mich mies fühle.«
Der stöhnte auf. »Weißt du, ich gehöre nicht unbedingt zu den vorsichtigen Typen, aber, als ich dich auf dem Spielfeld sah, hätte ich eure Einladung sofort ablehnen müssen. Ich hab’s daher nicht besser verdient.«
»Och, Aeneas, jetzt übertreibst du wirklich«, protestierte Erik und kicherte.
»Jugendliche Unbekümmertheit«, deklamierte der, wurde dann übergangslos ernst. »Eigentlich hatte ich dich tatsächlich gesucht. Ich habe eine Vermutung, wo dein Vater sein könnte. Bevor ...«
»Was? Das ging ja schnell«, kreischte sein junger Begleiter, packte ihn bei den Oberarmen, schüttelte ihn durch und riss ihn ungestüm fast um.
»Oh, bitte«, stöhnte der Ringlord und rieb sich sein Knie. »Ich frage mich langsam, ob ich dich als Freund oder als Feind betrachten soll.«
Erik ignorierte den Blödsinn und strahlte ihn an. »Wo ist er? Können wir gleich zu ihm?«
»Ich habe doch nur eine Vermutung und benötige noch weitere Informationen. Leider hat der Rhanlord mich zu sich befohlen, wie du weißt. Ich werde kaum rechtzeitig vor eurer Abreise wieder hier sein. Wenn du aus dem Urlaub zurück bist, weiß ich garantiert mehr. Mach dir keine Gedanken, genieße die Reise und überlasse die Suche nach deinem Vater einstweilen mir, ja!«
»Wo ist er denn? Und warum kann er nicht herkommen?«
»Ich werde dir alles erzählen, wenn ich mir sicher bin.« Der Ringlord legte Erik die Hand auf die Schulter. »Dein Vater ist nun einmal ein Geächteter und deine Mutter war eine Marú: eine inakzeptable Herkunft für einen Rhan. Wir beide finden diese Ansicht zurecht blöd, müssen jedoch mit ihr leben und wir wollen dieser offiziellen Assistentin keinen Grund zum Jubeln liefern, oder? Dass ich ausgerechnet jetzt nach Rhanmarú muss, deutet darauf hin, dass der Rhanlord seiner Botin freie Bahn zum Schnüffeln verschaffen will. Hab also Geduld und unternimm selbst nichts! Könntest du mir das versprechen?«
Erik musste nicht lange überlegen. »Hab ich dir doch schon versprochen. Ich wüsste eh nicht, was ich machen sollte.« Ein breites Grinsen überzog plötzlich sein Gesicht. »Traust du dich überhaupt, etwas gemeinsam mit mir zu unternehmen.«
»Ich zittre bei der Vorstellung, aber ich bin schließlich Ringlord und als solcher verdränge ich tapfer meine Furcht.« Er sah über Eriks Schulter hinweg und seufzte tief auf.
»Liebe Güte, meine
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