Die Suche nach dem Wind
seinen Begleiter versonnen an. Der trug diesmal dem Anlass entsprechend seine offizielle Robe: Hemd, Hose und Stiefel waren so schwarz wie der bodenlange Umhang, den am Kragen lediglich das goldene Symbol der Ringlords zierte. Der alte Schwertgürtel wurde von einer Schnalle gehalten, auf der ein Greif, Wappentier derer van Rhyns, eingeprägt war. Groß und gut gebaut war Aeneas so schon eine imposante Erscheinung. Lennart schüttelte ungläubig den Kopf, als ihm einfiel, dass er vor ein paar Stunden im Matsch mit ihm um einen Ball gekämpft hatte. »Wie warst du eigentlich als Kind, Aeneas?«, fragte er aus einer Eingebung heraus.
»Kleiner, nehme ich an.«
Der Jüngere prustete los. »Du kommst immer so richtig aus dir raus, wenn es um persönliche Dinge geht. Dann bist du kaum noch zu bremsen. Wie ist deine Großmutter denn so?«
»Klein, alt und, wie dein Vater sagte, unglaublich!«
Sie standen vor dem Turm, dessen riesige Tür ebenfalls ein eingebrannter Greif zierte.
Der Ringlord atmete tief durch und klopfte. Eine blau gekleidete Dame öffnete. »Aeneas, welch nette Überraschung. Komm herein! Gut siehst du aus, besser jedenfalls als beim letzten Mal. Und so ein schmucker Begleiter!«
Der Ringlord gab der alten Frau einen Kuss auf die hingehaltene, runzlige Wange. »Sei gegrüßt, Maya. Das ist Lennart Tamiris, Sohn des Ratsvorsitzenden und mein Adjutant. Kann er im Salon warten?«
»Natürlich! Da sind jetzt Novizinnen. Aber die werden sich über den unerwarteten Besuch freuen.«
Lennart spähte gerade die steile Wendeltreppe hoch. »Doll, wie viele Stufen die wohl hat?«
»Vierhundertvierundsechzig!« kam Aeneas’ prompte Antwort. Er öffnete die Tür zum Salon, und Lennart glaubte zu träumen. Ein Dutzend junger Damen lächelte ihm entgegen.
»Donnerwetter!«, entfuhr es ihm, als er in den Raum geschoben wurde. »Lass dir ruhig Zeit!«
Der Ringlord machte sich notgedrungen an den Aufstieg und versuchte wie üblich, sein Herzklopfen zu ignorieren. Kaum oben angekommen hörte er die Stimme seiner Großmutter. »Tritt ein, Aeneas!«
Er öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. Die Oberin saß wie immer auf ihrem hässlichen Greifenthron. Doch zu ihren Füßen, wo sonst irgendwelche Bestien ihr Lager hatten, saß heute eine bildschöne Frau in einem Meer aus weißblonden Haaren und lächelte ihm entgegen.
»Was stehst du da blöd rum? Komm und begrüß mich endlich«, krähte die Oberin.
Aeneas ging durch den Raum, ließ sich auf ein Knie nieder und küsste die ausgestreckte Hand. »Seid gegrüßt, Ehrwürdige Mutter Oberin!«
»Fürchtest oder hoffst du jetzt, dass ich Shanna auf dich hetze?« Sie warf einen kurzen Blick auf ihren erschüttert wirkenden Enkel, klopfte der jungen Frau auf die Schultern und kicherte. »Steh auf, Kind!«
Die Schönheit erhob sich graziös, schüttelte die üppige Haarmähne, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und streckte die Hände aus. Blitzende Klingen fuhren aus silbernen Handschuhen, die die Finger freiließen.
Der Ringlord schluckte und sah von ihr zu seiner Großmutter.
Die lachte schallend auf und forderte vergnügt: »Mach dir nicht ins Hemd, Aeneas! Shanna, lass uns allein! Mein Enkel kriegt sonst keinen Ton heraus.«
Hüftschwingend ging die Angesprochene aus dem Raum, allerdings nicht, ohne ihm zuvor aufreizend zuzublinzeln.
»Sie kommt von Jaos, ist genauso gefährlich wie die Wolfshunde, aber viel unterhaltsamer. Und jetzt sag, warum du schon wieder hier bist. Erst lässt du Jahre vergehen, ohne mich zu besuchen, plötzlich kannst du nicht genug von meiner Gesellschaft bekommen.«
Aeneas benötigte einige Sekunden, bevor er antworten konnte. »Mein Mündel, Erik, ist ein
Träumer
und er ist sich sicher, dass von Gandar noch lebt. Ich neige allmählich dazu, ihm zuzustimmen. Was weißt du über Rantaris? Es könnte sein, dass sein Vater dort ist. Gibt es eine Möglichkeit den Planeten wieder zu verlassen, ohne den Berg zu sprengen? Ich würde in Anbetracht der Umstände ungern Aufmerksamkeit auf mein Vorhaben lenken.«
»Rantaris?« Die Oberin zuckte merklich zusammen. Ihre Finger zerdrückten den knotigen Stock fast. »Sag mal, was ist eigentlich los mit dir? Erst suchst du deinen Vater, jetzt suchst du Eriks Vater. Hast du einen mysteriösen Vaterkomplex? Du bist alt genug, um darüber hinweg zu sein. Warum suchst du nicht nach einer passenden Frau für dich. Dann könntest du selbst Vater werden und vielleicht so Ruhe
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