Die Suche
die auf der Mittelkonsole ruhten. Aha, da war auch jemand besitzergreifend. Sofort ließ der Druck auf meine Hand etwas nach.
„Sie sind ein Paar?“, flüsterte Sam mir zu. Ich nickte, war selbst überrascht. Erst der neue Name, dann das. Ich wurde immer neugieriger auf meinen alten Freund. Ich wollte mich zu Sam beugen und ihn küssen, als unser Auto scharf nach rechts ausscherte und ich gegen seine Brust geworfen wurde. Im ersten Moment kapierte ich nicht, was passiert war. Ein Blick auf die angespannten Schultern von Adam und Jo, sowie aus dem Fenster, reichte aus, um zu wissen, dass jemand uns angegriffen hatte und es sich nicht einfach nur um einen Unfall handelte. Neben mir konnte ich aus den Augenwinkeln, roten Lack sehen, zu mehr war mein Gehirn momentan nicht in der Lage. Jo kurbelte das Lenkrad nach links, um vom Schotter wieder auf die Straße zu gelangen und trat aufs Gas. Der Motor heulte auf, weil er nicht schaltete.
„Tret die Kupplung“, befahl Adam ruhig. Offensichtlich befand sich Jo nicht oft in einer solchen Situation, denn seine Finger krampften sich um den Steuerknüppel, die Augen starr auf die Straße gerichtet.
„Jo. Rutsch zu mir rüber. Ich halte das Lenkrad. Wir tauschen.“
„Was? Spinnst du? Ich … ich … kann nicht“, stotterte er. Der Motor jaulte und ich hörte ihn bereits explodieren, so laut wurde es im Auto. Ich wusste, ich durfte mich nicht einmischen, aber wenn nicht bald ein Wechsel stattfände, würden Marcus Leute uns platt machen. Angespannt biss ich auf die Backenzähne. Ein letztes Mal heulte der Motor auf, als Jo endlich den Fuß vom Gas nahm, sich aus seinem Sitz schälte und hinter Adam auf den Beifahrersitz glitt. Adam war im selben Moment nach rechts gerutscht, zog die Beine nach und umfasste das Lenkrad. Bis er sicher saß, wurde der Wagen langsamer, aber wenige Augenblicke später, zog er an, kuppelte und steuerte das Fahrzeug die Landstraße entlang. Ich hatte komplett die Orientierung verloren. Draußen war es dämmrig, nass und ungemütlich. Vor uns sah ich die roten Rücklichter bremsender Autos. Auf Andreas Seite erschien ein Motorrad. Der Fahrer kam näher, so dass er auf Höhe der hinteren Türen war, und bevor ich den Atem anhalten konnte, hatte Andreas das Fenster runtergelassen und schoss auf ihn. Entsetzt konnte ich erkennen, dass sich der Oberkörper des Angreifers nach hinten bog, die Kontrolle über das Motorrad verlor, und wie ein nasser Sack auf die Straße fiel.
„Verfluchte Scheiße!“, schrie Sam und zuckte zusammen, hielt meine Hand fest in seiner. Mein Herz pochte hart gegen meine Rippen, und als sich der Wagen von eben näherte, und mit der Fahrerseite auf meiner Höhe war, hielt ich kurz die Luft an. Utz! Es war Utz. Übelkeit stieg in mir auf. Grinsend starrte er zu mir rüber und rammte uns mit seinem rechten Kotflügel. Er war alleine. Der Drang, die Wölfin rauszulassen, wurde immer stärker, der bittere Geschmack im Mund kündigte ihre Gier auf den Kampf an. Ruckartig schoss Jos Kopf zu mir.
„Du bleibst hier! Adam bringt uns hier raus.“
Offensichtlich hatte er die Wölfin gerochen.
Meine Scheibe zersprang plötzlich in tausend kleine Stücke, die sich auf mir ergossen und Utz´s Arm flog auf mich zu. Reflexartig rückte ich zu Sam, drehte mich halb zu ihm und hörte einen lauten Knall. Ich riss die Augen auf und drehte mich zum offenen Fenster. Regen peitschte mir ins Gesicht, stach mit tausend Nadeln auf meine Wangen ein. Utz grinste mich mit seiner hässlich vernarbten Fratze an, tippte sich mit dem Lauf einer Pistole gegen die Schläfe, in Militärgrußmanier und brauste an uns vorbei.
„Kopf runter!“, hatte Andreas geschrien. Alles war in Sekundenschnelle passiert, und doch kam es mir vor, als wären die nächsten Momente in Zeitlupe abgelaufen. Ich hatte gespürt, wie der Wagen schneller geworden war, mein Blick war zu Sam gehuscht und mir war das Herz für einen Moment stehengeblieben. Meine Ohren klingelten immer noch und doch hörte ich mich selbst weiter schreien, als ich auf meine rechte Hand sah, die eben noch Sams gehalten hatte. Überall war Blut und als ich den Kopf anhob, bemerkte ich, dass sich ein dunkler Fleck auf seinem Hemd ausbreitete.
6. Kapitel
Irgendwo in England , Herbst 2012
« Begrüßt man so einen alten Freund? »
Um sie herum stank es nach Schimmel, Urin, Schweiß, nach Angst und Krankheit. Alexas Hals kratzte, ihr Mund war völlig
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