Die Suche
ausgetrocknet. Der Durst machte sie fast wahnsinnig, schlimmer als der Schmerz, der von ihrem Hinterkopf nach vorne schwappte und ihr die Sicht vernebelte. Sie senkte ihren Kopf auf die Brust und bemühte sich, flach zu atmen. Ihre Vermutung, dass die meisten Gerüche von ihr selbst stammten, bewahrheitete sich. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Die Situation war unerträglich. Die Ungewissheit, was mit ihr geschehen würde. Die vollständige Hilflosigkeit. Sie wusste nicht, wie lange sie das noch aushalten konnte. Sie wollte nach Hause. Zu Sam. Doch der war nicht mehr da. Anna!
Sie versuchte, Wut zu empfinden, um sich von Angst und Ohnmacht abzulenken, doch es gelang ihr nicht. Sie mochte Anna, und als sie sich zuletzt begegnet waren, hatte sie beinahe den Eindruck gehabt, als würde Anna alles bereuen.
Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, musste sie zugeben, dass es vermutlich sowieso nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis sie sich von Sam getrennt hätte. Acht Jahre Beziehung, der plötzliche und gewaltsame Tod seiner Mutter, das hatte sie beide zusammengeschweißt. Trotzdem waren sie zuletzt nur noch wie Bruder und Schwester miteinander umgegangen. Die Leidenschaft war einer vertrauten Freundschaftlichkeit gewichen. Sie hatten sich voneinander entfernt. Doch Alexa fühlte sich zu jung für eine Beziehung ohne Feuer.
Der wilde Durst überfiel sie wieder. Sie rappelte sich auf und begann, die Schränke zu durchsuchen, die sie bereits zahllose Male durchwühlt hatte. Zuerst auf der Suche nach einer Waffe, dann auf der Suche nach Flüssigkeit. Doch auch diesmal erbrachte ihre Suche nichts.
Und dann kamen die Schritte näher. Alexa erstarrte und fixierte die einzige Tür. Panik kroch in ihr auf, und als sie Stimmen hörte, hob sie mechanisch den Arm, griff nach einem Stapel Teller und ging einen Schritt nach vorne. Der Kerl, der sie bereits besucht hatte und der sie an den kranken Irren aus „Das Schweigen der Lämmer“ erinnerte, trat ein.
„Verschwinde!“, kreischte Alexa und schleuderte einen Teller in seine Richtung wie ein Frisbee. Der Irre duckte sich und zeigte ein schauerliches Grinsen. Alexa ließ weitere Teller folgen. Sie knallten gegen die Wände und zerbrachen auf dem Boden, doch der Irre hatte schier übermenschliche Reflexe und wich ihren Geschossen aus. Als Alexa nach hinten griff, um sich Nachschub aus dem Schrank zu holen, war er mit einem riesigen Satz bei ihr.
„Begrüßt man so einen alten Freund?“ Er hob eine Augenbraue, so dass sein Gesicht zu einer spöttischen Maske wurde. Er stank so schlimm nach Schweiß und mangelnder Körperhygiene, dass Alexas leerer Magen sich schmerzhaft zusammenkrampfte und ihr bittere Galle den Hals hinauf schickte.
„Ich habe dir etwas zu trinken mitgebracht. Ich bin ja kein Unmensch.“ Sein Mundwinkel kräuselte sich zu einem Lächeln. Jetzt erst bemerkte Alexa die Wasserflasche, die er in der Hand hielt. Verlangend streckte sie die Hand danach aus. In dem Moment klingelte sein Handy. Er griff sich in die Hosentasche, stellte das Wasser auf den Boden und nahm das Gespräch an, ohne sie aus den Augen zu lassen.
„Ahhh. Mein guter alter Freund. Wie schön, dass du dich meldest …“ Offenbar wurde sein säuselnder Singsang unterbrochen, denn er runzelte die Stirn und wandte sich von Alexa ab.
Das war ihre Chance, sich die Flasche zu greifen. Alexa machte eine Bewegung, und sofort sprangen die Augen des Irren wieder zu ihr. Sie ließ sich jedoch nicht beirren. Wollte er sie hindern, würde sie ihm die Flasche über den Kopf ziehen. Aber nicht bevor sie sie leergetrunken hatte.
„Was solltest du mir schon geben können? Es bleibt dabei. Nein, ich glaube, du hast nicht verstanden …“
Alexa drehte den Schraubverschluss auf, erleichtert, als sie das Zischen hörte. Nun konnte sie sich sicher sein, dass er das Wasser nicht präpariert hatte. Sie nahm einen tiefen Zug. Der Sprudel kratzte in ihrem Hals, was ihr aber egal war.
„Es ist mir ernst. Ich will sie! Und wenn sie nicht kommt, ist die kleine süße Freundin tot!“
Alexa verschluckte sich, Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie die Flasche absetzte und ihn anstarrte. Was hatte das alles zu bedeuten? Wen wollte er? Sie räusperte sich, doch der Typ war ganz in sein Telefonat vertieft.
„Ich sage dir, was wir machen“, er kam jetzt wieder auf sie zu, streichelte ihre Wange, „sie soll in einer Stunde am Big Ben sein und
Weitere Kostenlose Bücher