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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ihren Lauf.
    »War er wirklich schuldig?«, fragte Almut nüchtern.
    »Ja, und er wurde zum Tode verurteilt. Er hatte zwar auf Anweisung eines anderen gehandelt, aber er hatte Menschen erschlagen. Nicht nur jene Frau. Ich sah, wie er zum Richtblock geführt wurde. Und – oh, der Himmel möge mir beistehen – unter all den Menschen auf dem Richtplatz sah Aleff mich plötzlich an. Mich! O mein Gott! Seine Hände waren gefesselt, sein Gesicht geschunden, doch er lächelte mich an.«
    Franziska wischte sich mit einem zerknüllten, feuchten Lakenzipfel über das Gesicht.
    »Aleff wurde enthauptet, von einem Stümper. Das versoffene Schwein von Henker musste das Beil vier Mal heben. Gott im Himmel, seine Schreie! Das Blut! Und dann fiel sein Kopf.«
    Franziska würgte, und Almut legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Es ist vorbei, Kind, es ist vorbei!«
    Eine Weile lehnte Franziska ihren Kopf an Almuts Brust und knetete die Hände, dann flüsterte sie rau: »Almut, es war so entsetzlich. Ich bin schuld an seinem Tod. Ich. Ich allein. Hätte ich damals im Kloster nicht... Ach, es quält mich seit Monaten, Almut. Ein halbes Jahr hielt ich es noch in Aachen aus, das Bild verfolgte mich Tag und Nacht. Ich konnte nicht mehr bleiben, nicht mehr am Turm vorbeigehen, nicht mehr die Straße zum Richtplatz betreten. Darum entschloss ich mich dazu, Maria zu bitten, mich hier in Köln aufzunehmen. Hier Vergessen zu finden und einen neuen Anfang zu wagen. Aber es geht nicht.«
    »Nein, solchen Dämonen kann man durch einen Ortswechsel nicht entfliehen.«
    »Nein – o verflucht!« Franziska zerriss den feuchten Lakenzipfel. »Warum nur habt Ihr mich alleine zum Markt gehen lassen? Ich kenne mich doch hier noch nicht aus. Auf dem Hinweg hat Pitter mich ja geführt, aber zurück... Ich habe mich verlaufen. Ist das nicht albern?«
    »Ich verstehe, die Gassen sind verwinkelt und sehen für einen Fremden alle gleich aus.«
    »Ja, und die Körbe waren so schwer. Ich hatte einen Kohlkopf gekauft, und der kollerte immer hin und her. Das war eine Plackerei. Dann stand ich plötzlich am Rheinufer und war völlig erschöpft. Ich habe die Körbe abgestellt und mich auf die Stufen gesetzt, die da zu den Anlegestellen hinunterführen. Da waren ein paar Büsche, die den Wind ein bisschen abhielten. Nur kurz verschnaufen wollte ich. Als ich mich umsah, erkannte ich diesen komischen viereckigen Turm mit den kleinen Türmchen an den Ecken. Da wusste ich, dass ich in der Nähe des Klosters bin, das wir neulich besucht haben. Ich war so erleichtert, ich achtete noch nicht einmal darauf, was ich in die Hand nahm. Ich ging am Ufer entlang, und als ich beinahe an dem Tor angekommen war, von dem ich meinte, es führe auf die Gasse zum Eigelstein, fiel mir auf, dass ich einen anderen Korb in der Hand hielt. Er muss irgendwie dort in den Büschen gestanden haben, denke ich. Der unsere war aus hellen Binsen geflochten, jener aber war schon abgenutzt und dunkel. Ich habe mich entsetzlich geärgert und den Deckel aufgemacht, um zu sehen, was er enthält, weil der Inhalt genauso herumkollerte wie der Kohl.«
    »Aber was ist daran so schlimm?«
    Schwarze Schatten lagen unter Franziskas Augen, und sie presste würgend beide Hände auf den Mund.
    »Es... es... Ein blutverklebter Kopf rollte darin herum. Aleff. Ich dachte, es sei Aleff. Ich war von Sinnen. Ich bin doch schuld an seinem Tod. Er verfolgt mich, ich träume von der Hinrichtung, fast jede Nacht. Und nun der Korb mit dem Kopf... Ich konnte nicht mehr denken. Ich war von Sinnen, Almut! Erst nach einer Weile wurde mir klar, dass es doch nicht sein konnte. Nicht Aleff, nicht hier, nicht in Köln. Und dann fiel mir ein, was Ihr mir von der toten Frau im Kloster erzählt habt, und schlagartig wusste ich, wessen Kopf es sein musste. Ich nahm den Korb, ich rannte, als wäre der Teufel hinter mir her.«
    Mit großen Augen sah Franziska die Begine an, die ebenfalls die Hand vor den Mund geschlagen hatte.
    »Franziska, seid Ihr Euch ganz sicher? Es war bestimmt ein menschlicher Kopf? Es haben Euch doch nicht Eure Sinne getrogen?«
    Die Köchin war nach ihrer heftigen Gefühlsaufwallung plötzlich in sich zusammengesunken.
    »Ganz sicher. Mit langen dunklen Haaren«, murmelte sie schläfrig.
    »Ei wei!«, stöhnte Almut und starrte die kleine Köchin an. »Ei wei!«
    Franziska war tief in die Decken gerutscht, aber ihre Miene wirkte jetzt ruhig, und ihre Hände lagen entspannt in ihrem Schoß.
    »Was habt Ihr mit

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