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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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auch mal ausgesehen. Erst knallrot, dann immer heller rosa, bis hin zu weiß.
    Meine Finger sehen komisch aus. Sie sind so lang und die Fingernägel sind auch nicht meine. Mama schneidet sie immer ganz kurz, weil ich dran knabbere. Stattdessen kaue ich dann an der Haut neben dem Nagel, das sieht dann auch nicht schön aus.
    Aber meine Nägel und Hände sind jetzt schön. Sie sehen ganz ordentlich aus. Bestimmt sind das gar nicht meine. Haben sie mir die nach dem Unfall so gemacht? Ich nehme an, dass ich einen Unfall hatte. Weshalb sollte meine Hand sonst eingegipst sein?
    Wann ist jetzt?
    Diese Frage habe ich mir gerade schon gestellt. Was für ein Jahr haben wir? Ist es Sommer oder Winter? Bin ich schon in der Schule?
    Hier ist kein Kalender. In unserer Küche hing immer so ein langer Kalender und da war jeden Monat ein anderes Bild drauf. Mama schrieb mit einem Stift unsere Termine dort hinein, damit wir nicht vergaßen zum Arzt zu gehen oder zum Schwimmen oder Geld mitzunehmen für die Schule. In Rot standen dort auch die Geburtstage.
    Frank klopft und kommt herein.
    „Wann ist jetzt?“, frage ich ihn gespannt. Ich muss das wissen, sonst habe ich keine Ruhe.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 48
    Früher
     
     
    Karin und ich werden von der Krankenschwester abgeholt. Jeden Tag müssen wir inhalieren, damit unsere Lungen gesund werden. Wir haben beide Angst davor, aber ich besonders.
    Die Schwester bringt uns in den Raum, in dem die Geräte stehen. Es sind ganz viele Säulen, mit Schläuchen und Atemmasken. Vor jeder Säule steht ein Stuhl, der fast aussieht, wie unser Schreibtischstuhl zu Hause.
    Karin soll sich setzen. Die Schwester stülpt ihr die durchsichtige Atemmaske über, die Mund und Nase einschließt und mit einem Gummiband am Kopf gehalten wird. Dann dreht sie das Rädchen auf. Es fängt an zu blubbern und weißer Nebel steigt in Karins Säule auf. Sie hat schon Tränen in den Augen, obwohl der Nebel noch gar nicht durch die Schläuche bis zu ihr gekrochen ist.
    Nun bin ich dran. Ich mag mich nicht setzen, aber es hat keinen Sinn, sich zu wehren, denn dann binden sie einen fest.
    Ich atme noch ein paar Mal tief durch, dann setze ich mich auf den Stuhl. Die Schwester zieht mir die Maske über den Kopf und sofort bekomme ich kaum noch Luft. Statt besser wird es bei mir nur schlimmer, wenn ich inhalieren soll. Ich bekomme Angst. Der Nebel wird aufgedreht und ich starre auf die Schläuche, durch die er sich gleich bis zu mir schlängeln wird. Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn man den Nebel einatmen muss. Es ist schlimm, aber man darf die Maske nicht abnehmen, bevor die Schwester das macht.
    Ich sehe zu Karin hinüber, der Tränen über das Gesicht laufen. Die Schwester beobachtet uns noch eine Weile und geht dann weg, um die nächsten Kinder zu holen. Es sind noch ein paar Säulen frei.
    Sobald sie außer Sicht ist, reiße ich mir die Maske herunter. Ich brauche Luft! Hastig atme ich den schönen kühlen Sauerstoff ein. Karins Hand ist auch zu der Maske gewandert, aber sie traut sich nicht, sie abzunehmen. Ich atme auf Vorrat, denn gleich werde ich mir das Plastikteil wieder über das Gesicht ziehen müssen.
    Karins Augen werden ganz groß und ich ahne schon, dass jemand hinter mir ist. Hastig presse ich mir die Maske ins Gesicht, aber es ist schon zu spät.
     
     
    „Setz dich wieder auf den Stuhl“, höre ich die kalte Stimme der Schwester.
     
     
    Ich will nicht, aber es nützt ja nichts. Mit gesenktem Kopf setze ich mich wieder hin. Der Stuhl hat Armlehnen, wie unser Stuhl zu Hause. Ich weiß schon, dass sie mich wieder festschnallen wird, wie schon einmal. Ich höre das Ratschen der Klettbänder. Sie macht meine Handgelenke an den Armlehnen fest und zieht mir dann die Maske richtig über Mund und Nase. Entsetzt sehe ich, dass sie den Regler noch höher einstellt. Der Nebel wird heiß und ich glaube, meine Lunge verbrennt, wenn ich atme. Ich versuche nicht zu atmen und mir wird schwindelig.
    Mein Blick huscht zu Karin, die mich anstarrt. Sie kann mir auch nicht helfen. Beim nächsten Mal wird die Schwester mich sofort anbinden. Warum habe ich die blöde Maske auch nicht eine Sekunde eher aufgesetzt?
    Zwei weitere Kinder werden auf Stühle gesetzt und müssen inhalieren. Sie schauen zu mir hin, was ich spüren kann, aber ich starre nur vor mich auf die Säule und versuche mit wegzuträumen. Das mache ich hier noch öfter als zu Hause. Meist träume ich mich zu Oma, aber das will heute

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