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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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nicke. Meine Zunge fühlt sich an, wie ein Klumpen. Er stützt mich im Rücken und hält mir einen Plastikbecher an die Lippen. Ich habe noch nie so leckeres Wasser getrunken und höre erst auf, als der Becher leer ist.
    „Oh ja, du hattest wirklich Durst“, sagt er und knipst mir ein Auge. Ich sinke zurück in das große Kissen, das mit einem weißen Bezug überzogen ist, genau wie bei Oma zu Hause. Auch die Decke ist ganz weiß.
    „Wie fühlst du dich denn jetzt?“, fragt er und tastet mit seinen Fingern an meinem Handgelenk herum.
    „Bist du ein Doktor?“, frage ich und er nickt.
    „Mein Name ist Wolfgang aber alle nennen mich Wolf, wie der böse Wolf aus dem Märchen“, sagt er und lacht wieder. Der böse Wolf? Ich muss auch ein bisschen lachen. Böse sieht er nicht aus.
    „Ich glaube, dir geht es gut genug, um etwas zu essen. Was meinst du?“
    Ich schüttele den Kopf. Mir ist schlecht, und wenn ich an den furchtbaren Brei denke, wird mir noch schlechter. Den bekomme ich bestimmt nicht runter.
    „Aber du musst doch was essen“, sagt er und guckt traurig, „Du willst doch sicher bald wieder nach Hause, oder?“
    Ich nicke und kann nicht verhindern, dass eine Träne aus meinem Auge purzelt und an meiner Nase herunterläuft. Wolf leckt sich über die Lippen. Das sieht komisch aus und gefällt mir nicht.
    „Hast du Heimweh?“, fragt er.
    Ich nicke und weitere Tränen folgen der Ersten. Sie tropfen von meiner Nasenspitze und machen einen dunklen Fleck auf das Weiß der Bettdecke.
    „He, kein Grund traurig zu sein“, meint Wolf und setzt sich zu mir auf die Bettkante. Dann zieht er mich plötzlich zu sich heran und an seine Brust. Zuerst will ich das nicht und versuche von ihm weg zu rutschen, aber er hält mich fest und streichelt über meine Haare und drückt mich an sich. Ich höre sein Herz schlagen und beruhige mich etwas.
    „Pscht“, macht er und schaukelt uns beide hin und her.
    „Möchtest du vielleicht deine Mama anrufen? Ich habe hier ein Telefon.“
    Mein Herz macht einen Satz! Ich möchte so gerne mit Mama sprechen. Vielleicht holt sie mich ja ab, wenn ich ihr erzähle, wie schlecht es mir geht. Sicher kommt sie und Papa wird zwar schimpfen, aber das ist mir egal.
    Wir haben erst vor Kurzem ein Telefon bekommen. Papa hat im Flur ein Brett an die Wand gebohrt und da steht das Telefon jetzt drauf. Ich habe schon einmal mit Onkel Dieter gesprochen, und als ich nur genickt habe, hat Mama gelacht und gesagt, dass mich der Onkel doch gar nicht sehen kann und dass ich schon etwas sagen müsse.
    „Wenn ich deine Mama anrufe, musst du aber auch etwas für mich tun“, sagt Wolf. Er hält mich immer noch an sich gedrückt. Mir tut schon die Schulter weh. Ich traue mich aber nicht ihm zu sagen, dass er mich loslassen soll.
    „Was denn?“, frage ich. Ich kann mir nicht vorstellen, was ich für ihn tun soll. Vielleicht etwas wegbringen?
    Er lacht nur und schiebt mich endlich von sich weg. Mit seinem Finger streicht er über meine Lippen und guckt mich so komisch an, dass ich ein schlechtes Gefühl bekomme. Seine Zunge kommt wieder hervor und er leckt sich nicht nur die Lippen, sondern auch das Kinn.
    „Da fällt mir schon was ein“, meint er.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 52
     
     
    „Wie ist ihr Gespräch mit Frau Lindemann gelaufen?“
    Professor Wieland saß Frank in seinem Büro gegenüber. Beide hielten eine Kaffeetasse in der Hand.
    „Sie war sehr gesprächig“, berichtete Frank, „Sie schien böse darüber zu sein, dass sie niemand besucht.“
    „Würden Sie für mich die relevanten Dinge, die unsere Patientin betreffen kurz zusammenfassen? Ich muss gleich zu einer Besprechung“, bat der Professor.
    Frank nickte. Er klammerte sich an die Tasse, um seine Handflächen nicht wieder über die Oberschenkel zu reiben. Eine dumme Angewohnheit, die er loswerden wollte.
    „Laut Frau Lindemann hatte Nicole eine normale Kindheit. Nur häufiges Nasenbluten und ein festsitzender Husten machten gesundheitliche Probleme, weshalb sie mit sechs Jahren in eine Kinderkur geschickt wurde. Es gab eine große Schwester, die bei einem Autounfall starb, als sie zwölf Jahre alt war. Kurzzeitig soll ein kleines Mädchen bei der Familie gewohnt haben, offenbar die uneheliche Tochter eines Bruders von Nicoles Vater. Die Geschichte ist etwas verworren. Das Kind lebte bei der Mutter, bis diese starb, und wurde dann dem Vater übergeben, der Alkoholiker war und nichts mit der Kleinen anfangen

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