Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
dass die Eingeweide, die es hinter sich herzog, eine unappetitliche Spur in der ockerfarbenen Erde hinterließen.
Simon wusste, wie bösartig Tierzombies sein konnten – genau wie bei Menschen schien ihre Grausamkeit noch zuzunehmen, wenn sie von den Toten wiederauferstanden. Ein sanftes Kätzchen konnte sich so in eine barbarische Wildkatze verwandeln, eine harmlose Taube als gefiederter Raketenflugkörper zurückkehren und Schlangen waren nach ihrer Verwandlung noch tödlicher als zuvor, auch wenn er glücklicherweise noch nicht vielen begegnet war. Dingos, ohnehin gefährliche Tiere, wurden noch grausamer und blutrünstiger. Simon hatte auf seiner sechs Monate langen Wanderung bereits gegen mehrere von ihnen gekämpft, darunter auch ein sehr großes Männchen, dem er begegnet war, als er den Finke-Gorge-Nationalpark erkundet hatte.
Aber das Tier, das nun auf ihn zuhumpelte, stellte offenkundig keine Bedrohung dar. Abgesehen von seiner schweren Verwundung schien es ziemlich alt und verzweifelt auf der Suche nach etwas Essbarem zu sein.
Simon blieb stehen und wartete. Seine Gepäckstücke lagen hinter ihm auf dem trockenen Wüstenboden. Der Dingo fletschte die Zähne, als er sich Simon näherte, befand sich im Jagdmodus.
Simon verspürte Mitleid mit dem Vieh, schließlich folgte es nur seinem Instinkt.
Das war auch der Grund, weshalb Simon den Dingo am Nacken packte, als er mit trübem, aber dennoch wachsamem Blick in seine Reichweite kam, und ihm den Hals umdrehte, bevor er überhaupt die Chance hatte, ihn anzugreifen. Während sich das Tier am Boden wand und einige schwache Versuche unternahm, wieder aufzustehen, hob Simon einen schweren Stein auf und zerschmetterte der Kreatur damit den Kopf. Als sich die Hirnmasse des Dingos rund um dessen platten Schädel über die rote Erde ergoss, hielt er inne.
»Sorry, Kumpel«, sagte Simon und ließ die improvisierte Waffe zu Boden fallen. »Nichts für ungut.«
Sein Blick wanderte vom Dingo über die trostlose, flache Landschaft – einer schier endlosen Weite aus Rot und Orange, von Violett und dem Grün der Süßgräser durchzogen, während sich über allem der tiefblaue Himmel erstreckte. Zum möglicherweise ersten Mal seit Beginn seiner Reise wurde ihm bewusst, wie vollkommen die Stille war.
Er befand sich tatsächlich mitten im Nirgendwo, verloren in einer riesigen Wüste aus erbarmungsloser Hitze und Staub, ein ganzes Leben entfernt von den Schrecken der realen Welt – einer Welt, die sich fest im Griff eines apokalyptischen Albtraums befand. Einer Welt, die im Sterben lag.
Die späte Nachmittagssonne riss ihn mit ihren durchdringenden Strahlen zurück in die Gegenwart und er wusste, dass er weitergehen und Coober Pedy erreichen musste, bevor sich die Nacht über das Land senkte.
Simon sammelte seine Sachen wieder ein und setzte sich in Bewegung. Er schätzte, dass er sein endgültiges Ziel in etwa einer halben Stunde erreichen würde.
»Ich kann’s nicht glauben«, sagte er. »Ich bin fast da.«
Er dachte an den Tag zurück, an dem er aufgebrochen war. Erinnerte sich daran, wie sehr er sich vor der Reise gefürchtet hatte, auch wenn er wusste, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als sich darauf einzulassen. Er hatte nie wirklich das Verlangen verspürt, das australische Outback zu erkunden, und es war ihm egal gewesen, ob er starb, ohne es jemals mit eigenen Augen gesehen zu haben. Tully hingegen hatte immer von einer Reise ins Outback geträumt. In ihrem Herzen war sie ein echtes Cowgirl, eine Abenteurerin, die die Natur liebte und sich gerne die Finger schmutzig machte. Dieses Feuer in ihr war jedoch jäh erloschen, als die Ärzte bei ihr Leukämie diagnostiziert hatten. Danach träumte sie nicht mehr von Wildwasserrafting, Fallschirmspringen oder einer Jeeptour quer durch Australien.
Schon bald bestand ihre einzige sportliche Betätigung darin, ins Badezimmer zu rennen und sich zu übergeben – eine Folge der Chemotherapie. Nichts auf der Welt schmerzte mehr, als zusehen zu müssen, wie sie zunehmend aus dem Leben verschwand. Es war nicht nur der Haarausfall oder die Tatsache, dass ihre Wangenknochen immer weiter hervorstachen oder ihr Körper immer magerer wurde. Das galt vor allem für ihre schwindende Lebensfreude, die am schwierigsten zu ertragen war. Und die Gewissheit, dass sie das Outback niemals zu Gesicht bekommen würde, auch nicht Coober Pedy mit seinen unterirdischen Häusern, Kirchen und Hotels, die aus irgendeinem Grund immer
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