Die Sünderin von Siena
auswäschst. Damit wäre ich bereits hochzufrieden.«
Er nahm Rötelkreide zur Hand und begann ein paar Striche auf ein altes Stück Pergament zu werfen. Zuerst sah es aus, als solle es ein Jungenkopf werden, doch je länger Matteo zeichnete, desto weicher wurden die Züge. Die Augen hatte er noch genau im Gedächtnis, bei den Brauen aber stockte er. Waren sie nicht höher gewesen? Dichter? Zur Mitte hin stärker gewölbt? Bei nächster Gelegenheit musste er sich von allem ganz genau vergewissern.
»Wird das deine neue Madonna?« Er hatte gar nicht bemerkt, dass Nevio hinter ihn getreten war und ihm neugierig über die Schulter schaute. »Die heilige Maria, wenn sie noch ein kleines Mädchen ist?«
»Sag das doch noch einmal!«
»Ich hab nur gefragt, ob das deine neue Madonna …«
Matteo sprang auf, begann im Raum herumzutanzen, während der Junge ihm fassungslos zusah.
»Schlauer Kerl!«, rief der Maler dabei. »Pfiffig und einfallsreich – hätte ich dir gar nicht zugetraut. Glaube fast, aus uns beiden könnte tatsächlich etwas werden.«
»Dein Saustall ist jetzt beseitigt«, sagte Ornela irgendwann und wirkte erschöpft, aber zufrieden. »Falls du allerdings vorhast, in absehbarer Zeit wieder einen solchen anzurichten, kannst du dir jemand anderen suchen, der diese Drecksarbeit übernimmt!«
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Matteo schnell. »Denn ab jetzt machst du ja jede Woche einmal gründlich bei mir sauber, einverstanden, Ornela?«
Anerkennendes Knurren. Sogar Nevio sah auf einmal beinahe glücklich aus.
Dennoch war Matteo froh, als er wieder allein war. Der Junge sollte am nächsten Morgen wiederkommen, um ihm bei der Aufbereitung von Kalk und Mörtel zu helfen, bevor er mit dem Mischen der Farben beginnen konnte. Matteo hatte sich angewöhnt, zahlreiche Probedurchgänge zu machen, um so die optimale Zusammensetzung zu finden. Manche seiner Kollegen verachteten diese einfachen Tätigkeiten, die in ihren Augen zu viel mit gewöhnlicher Maurerarbeit gemein hatten, er aber liebte es, die rauen Materialien aufzutragen, als Basis für das spätere Strahlen der Farben.
Er wusch sich gründlich, schabte sich den Bart, zog sogar ein frisches Hemd an. Danach goss er sich einen Becher Wein ein und briet sich ein paar der Eier auf dem Herd, die er so kräftig salzte, wie er es am liebsten hatte. Nachdem er den Teller mit Brot sauber gewischt hatte, spürte er, wie die altbekannte Unruhe erneut in ihm aufstieg.
Eine Weile kämpfte er dagegen an, schließlich gab er sich geschlagen. Er ging zu der Truhe in der Schlafkammer, um die er den ganzen Tag über einen großen Bogen gemacht hatte. Inzwischen begann es zu dämmern; und er brauchte einen Leuchter, um besser sehen zu können. Sein Herz begann schneller zu schlagen, nachdem er den schweren Deckel geöffnet hatte. Gefaltete Leinwand, alte Kleider, das war die erste Tarnungsschicht. Darunter noch mehr Stoff.
Schließlich ertastete er, wonach er gesucht hatte. Seine Hände zitterten, während er die erste der Rollen herauszog und sie langsam öffnete. Nach all den Jahren hatten die Worte, die er im Kerzenlicht las, noch immer die gleiche Wirkung auf ihn wie damals.
Der Salamander lebt im Feuer und nährt sich von den Flam men. Seine Kraft ist so stark, dass in seiner Gegenwart manchmal sogar Wasser brennen kann. Verliert er einen Körperteil, so wächst dieser wie durch ein Wunder wieder nach…
Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Er rollte das Pergament weiter auf, erblickte jetzt die Zeichnungen, die so frisch und lebendig wie eh und je waren.
Manche sagen auch, im Feuer verwandle er sich bisweilen in eine schöne rothaarige Frau, die alle um den Verstand bringen kann, indem sie …
Ein Windstoß ließ den Fensterladen klappern.
Wie ertappt zuckte Matteo zusammen und rollte das Pergament schnell wieder ein. Diese Schriften stammten aus dem Nachlass seines verstorbenen Meisters, für den er sie damals eigenhändig kopiert hatte, und galten als ebenso begehrt wie gefährlich. Niemand in Siena durfte wissen, dass sie in seinem Besitz waren. In Florenz genügte, wie er erfahren hatte, schon sehr viel weniger an Beweisstücken, um am Galgen zu landen.
Er schloss die Augen und hörte auf einmal Fionas Stimme, spürte ihren Atem an seinem Hals. Ihr Lachen, die Beugung ihres Nackens, der Ansatz ihrer vollen Brüste, der betörende Duft, der aus dieser Kuhle aufgestiegen war – ihr Seufzen, wenn er sich leidenschaftlich in ihr bewegt
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